Todessehnsucht


Wann werden wohl die harten Drogen dazu kommen? Irgendwas muss mir ja den Rest geben, Gras ist in seinem Wesen viel zu sanftmütig, um mich zu töten. Es will nur das Beste für mich, Ruhe und Frieden und kein Stress. Aber Stress brauche ich, um es zu Ende zu bringen. So möge es das Kokain sein, das mich durch meinen frühen Lebensabend führt. Problematisch bliebe jedoch die Beschaffung. Es müsste Geld her, sehr viel Geld. Und dafür müsste ich meinen Arsch hochkriegen und Menschen zum Frass vorwerfen. Für was sie auch immer bereit wären zu zahlen, ich müsste es herbeischaffen, und dafür müsste ich in eine Welt eintauchen, die mir fremd ist, in der ich unterginge, noch bevor ich meine erste Million gemacht hätte. Viel zu stressig, viel zu tun. Viel angenehmer wäre es, weiter so zu verfahren wie bisher. Doch das ginge viel zu lange. Also mein Leben. Und wie war das noch mal mit Träumen und so? Achja, stimmt, habe ich aufgegeben. Viel zu umständlich. Besser wäre also ein gezielter Schuss, der golden enden müsste gleich beim erstmaligen Versuch. Friedlich einschlafen. Mittlerweile bin ich bestimmt genug abgefuckt, um in der feinen Gesellschaft der Unterwelt nicht negativ aufzufallen. Sie würden mich als einer von ihnen aufnehmen und ganz und gar nicht egoistisch sein, nur in meinem Namen handeln und mir alles besorgen, was ich für meinen Suizid gebrauchen könnte. Sofern das Geld stimmt. Kapitalistisches Dreckspack. Können die sich nicht einfach von ihren Verpflichtungen als Drogendealer freikaufen und eine Art Hilfsorganisation für verzweifelte Menschen gründen, die sich nicht von einer offiziellen Behörde töten lassen wollen, sondern die Gifte selbst zu sich nehmen? Sie könnten eine Reihe an tödlichen Drogencocktails anbieten, je nach Geschmack und Stimmungslage, in der sie dahinsiechen möchten. Kommt herein in die Hölle der Verdammten, die den Ansprüchen von herkömmlichen Sterbehelfern nicht entsprechen und geben sie sich ihrer Depression hin. Sie muss euch in den letzten Stunden eures Daseins nicht weiter belästigen. Unser Stoff ist gut. Vergesst euer Leben, es führte euch nur hierher. Wir bieten nichts weiter als der letzte Funke Menschlichkeit in dieser kaputten Welt, der ihr entfliehen wollt. Organisiertes Töten von Unschuldigen, dieser zynische Witz soll euch in der letzten Sekunde offenbart werden und ihr werdet lächelnd einschlafen. Gern geschehen. Hier werde auch ich einkehren, sobald ich genug von euch armseligen Feiglingen habe. So also male ich mir eine noch umständlichere Todesursache aus, die nie geschehen wird. Kleinlaut begann es, so wird es auch enden. Nervig für alle anderen und nur ich fühle mich im Recht. Vielleicht wird es doch der Alkohol, der Wein Satans, den ich sobald als möglich ständig konsumiere, als wäre ich ein Kleinwüchsiger einer der reichsten Familien meiner eingebildeten Realität. So sehe ich zumindest edel aus, sofern ich nicht auf die deutlich leichtere Konsumweise ohne Zwischenstopp eines Glases umsteige. Zwischendurch würde mich kurze Phasen des Erschöpfungsschlafes einholen, um dann kurz darauf weiter zu trinken und immer weiter, bis ich nicht mehr aufwache. Der Tod, die Befreiung des Leides, das mich zerstörte und mir gegen Ende diese Aufgabe delegierte, um nicht als schuldig zu gelten. Oder soll mich doch der Lungenkrebs holen, nur werde ich ganz bestimmt nicht so nebenbei noch ein Imperium aufbauen. Das ist was für frustrierte, alte, weisse Männer. So weit werde ich nicht kommen. Ich bin jetzt schon frustriert, das genügt für den letzten Monat der 27. Eine Pause oder der Tod, eines von beiden erwartet mich im November. Vermutlich aber beides. So möge ich wenigstens in das Guinness-Buch der Rekorde gelangen mit dem längsten Abschiedsbrief der Welt, den gleichzeitig von den wenigsten Leuten überhaupt gelesen wurde. Doch dieser zweite Rekord bliebe nicht lange erhalten und würde schon bald an das andere Ende gelangen. Zwei Fliegen mit einer Klappe, wobei eine gleich wieder wegfliegt, auf das eine zweite und noch viel fettere kommen wird und ihren Platz einnimmt und das schon in der nächsten Ausgabe. Was will man mehr ausser der Möglichkeit, sich frei zu bewegen und nicht ständig in die Lohnarbeit gerufen zu werden? Scheiss auf euren Lebensstil, er ist mir zu primitiv und einschränkend. Selbst der Tod bietet mehr, zum Beispiel eine existenzielle Erfahrung. Ihr bietet mir lediglich die Sinnlosigkeit und stosst mich aus mit meinem offensichtlichen Lebenswillen und die Lust darauf, dieses trotz Rückschlägen in Kauf zu nehmen. Ein gefährlicher Depressiver macht sich auf den Weg, die Menschen mit seiner Krankheit anzustecken. So halte ihn doch jemand auf, gebt ihm nötigenfalls, was er verlangt, sollte es auch nur ein tödlicher Drogencocktail sein. Er soll es trinken wie Dumbledore, die Schwuchtel, und runterschlucken, von wo es ihn auffrisst und schreckliche Erinnerungen hochkochen lässt, als läge sein Inneres auf einem Herd. Halbwidersprüchliche Metapher zum Schluss eines gescheiterten Versuches eines Meisters der Sprache, der seinen Tod herbeisehnt. 

RvH, 16.10.2019, 01:27, 0086