Männlichkeit des Todes


Ich warte auf die Belohnung. Nur in diesen Momenten lasse ich meine Schwäche zu und ergebe mich ihnen in ihrer Symbiose der Lust, die sie gemeinsam ergeben. Und ich lasse den Trieb geschehen. All die unterdrückte Wut lasse ich an meinem Opfer aus, der es auch schon erwartet hat. Irgendwann musste diese Maskerade ein Ende finden, ohne dabei den Ruf zu verlieren. Der Kampf hat begonnen und die Schmerzensschreie durchdringen die Akustikwelt der Gegend, in der es geschieht. Das Geschlecht der Macht erhebt sich, um die Tat zu vollziehen. Die Schwerter klirren aneinander, der Alte Ego meines Gegenübers hat sich also auf die Situation eingestellt. So muss auch ich mich der Spontanität hingeben, da mein Plan schief ging. Mein Gegner hat offensichtlich bereits Erfahrung im Kampf, als hätte ich das nicht ahnen können. Er ist ein animalisches Wesen, das sieht man schon an seinen Gesichtszügen. Wildgewordene Augen fixieren seinen Angreifer, sie sind bereit, sich zu rächen. Die Drohkulisse, die das Leben aller seiner Art gestaltet, liess auch ihn verschreckt zurück. Doch er wehrt sich, wie es sich gehört, er weiss, was zu tun ist. Schon die Fantasien lehrten ihn, wie damit umzugehen ist, wenn es geschieht. Wenn das Tier in ihm raus muss, um zu überleben und seine Schwachen und Schwächen zu schützen. Sie dürfen nicht verletzt werden. Er würde daran zerbrechen. Denn in Wahrheit ist seine harte Fassade nur an ein labiles Gerüst gehängt worden, damit ihn niemand durchschaut. Es wäre ihm zu peinlich. Niemand wagte es je, ihm seine Fassade niederzureissen, doch irgendwann musste es passieren. Die Präsenz seines aufgepumpten Körper fordert alle heraus, doch Blicke verschwinden, sobald sie entdeckt werden. Dies war erst gerade nicht der Fall und nun entscheidet es sich, ob er es wert ist. Sein Angreifer ist klein und ein Versager obendrauf. Die erkennt auf einen Blick. Diese Bastarde der Geschlechter, die nie gelernt haben, ihre Schwäche zu unterdrücken. Dieser hier ist durchgedreht, der kann sich nicht mehr wehren. Seine Muskeln sind nicht im Kampf entstanden und daher auch nicht dafür gemacht. Sie sind zu gross, als dass er sich noch vernünftig bewegen könnte. Er wollte einfach nicht mehr verprügelt werden. Ein gezielter Schlag genügt, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Jeder noch so kleine Schmerz verdrängt er gleich wieder, doch diesen hier, den ich ihm zufügen werde, lässt all seine Traumata wiederaufleben und ihn zusammenbrechen, damit ich ihm den Rest geben kann. Der letzte Rest seiner Würde werde ich ihm nehmen, Einbahnstrassen werden niedergerissen bis zum Hodensack seiner Seele, die seit jeher gespalten ist zwischen den Widersprüchen, die Unmögliches von ihm abverlangten. Er musste sich rächen, an allen, die schwächer waren. Sie hätten ihn sonst besiegt. Sie hätten ihn entlarvt und dabei verspottet, hätten jeglichen Respekt vor ihm verloren. Er wäre der kleine Junge geblieben, der er einst war. Doch dieser kommt nun zurück. Er hat all seine Tränen aufbewahrt und sie wurden immer mehr. Der Druck ist nun zu hoch, sie flehen um Vergebung, dass sie sich solange versteckt hielten. Sie hatten Angst, alle haben es auf sie abgesehen. Sie sollten vertrocknen und nie wiederkommen. Er kam stattdessen viel zu oft, um sie unten zu halten. Er hat sie misshandelt und angeschrien, hat sie verleugnet und im Körper eingesperrt. Dieser hat widerliche Formen angenommen, doch niemand sieht genau hin. Es würde jegliche Illusion zerstören, die er auf ihn projiziert. Nun ist er zu schwer, um sich Aufrecht zu halten. Das Schwert durchbohrt jedes erdenkliche Gelenk, sie werden nie wieder zum Einsatz kommen. Zu viele wurden schon weggestossen und -gefickt, zu viele litten unter ihnen. Karma erscheint ihm nun auch draussen, wo er sich stark fühlte. Wo ihm niemand zu Nahe kam. Ich ritze ihm Tränen auf die Wangen, auf dass er nie vergisst, was ihm geschah. Das Mahnmal der Schande, das ihn noch lange am Gehen hindern wird. Ich sperrte ihn ein, wo er doch schon vorher in seinem Körper gefangen war. Ein sensibles Wesen, das seine Verletzlichkeit nun nicht mehr verstecken kann. Meine Aufgabe wurde erfüllt, als ich unsere Rollen tauschte. Von der verletzten Seele zum Opfer eines Gewaltverbrechers und wieder zurück. Die Masken wurden niedergelegt. 

RvH, 12.10.2019, 21:46, 0084