Es weht der Geruch des Todes durch die
Wälder des Meisters. Hier wurde sein Schicksal schon oft von ihm abgewandt, da
sie ihm die Sicht stahlen und dadurch ungerechtfertigte Hoffnung spendeten.
Selbst der Gedanke daran, dass gar Urwälder in die Verdamnis geschickt werden
und auch diese hier ihnen dahin folgen werden, liessen ihn nicht endgültig
verzweifeln, sondern belustigten ihn gar, wenn auch auf eine zynische Weise. Jedoch
erreichte den Meister bereits der Gnadenstoss des Schicksals genau in diesen Wäldern,
die ihm eine Verbindung zu dessen Natürlichkeit vorlogen, die ihm bliebe, egal
was passiert. Doch nun ist er erwacht und nimmt diesen Geruch wahr, der ihm die
letzte Hoffnung nimmt. Es gab hier nämlich einst ein Wesen, das gut zu ihm war,
woraufhin er es gleich enttäuschte, weil er nicht anders konnte. Dieses Wesen
scheint nun verschwunden zu sein, das fiel ihm schon vor einiger Zeit auf. Endlich
begab er sich auf die Suche seines letzten Freundes, den er mit in den Abgrund
gerissen hat. Seine Tat führte dazu, dass dieses Wesen ein Bewusstsein erhalten
hat, das es ähnlich wie bei einem Menschen reflektieren liess und es erwachte
in der Hölle. Es beobachtete Menschen, die regelmässig in den Wald kamen, um
ihren Frust loszubekommen, um einfach zu rennen und nie wieder zurückzukehren.
Doch sie blieben nie lange, sie hielten ihre einstige natürliche Umgebung nicht
aus und flohen zurück in ihre selbsterbauten Höhlen, um sich einzukuscheln und weiterzumachen.
All diese Geschichten, die es zu berichten hatte, liessen es eingehen und
friedlich in den Wäldern einschlafen. Nun ist es nur noch der Geruch, der blieb,
und dieser erreichte gerade den Meister. Er ahnt schlimmes, er weiss, es ist
der Geruch seines Freundes, den ihm in die Nase steigt und er weiss auch, dass
es ebenfalls der des Todes ist. Sein Freund war doch nur ein kleiner, süsser
Hase, den er liebevoll den Osterhasen nannte, weil er ihm einst ein wundervolles
Geschenk hinterliess. Wäre er doch nur sorgsamer damit umgegangen, dann wäre er
ihm geblieben. Er muss ihn finden und ihm ein würdiges Grab errichten. Schon
geht er los, geht seine Routen entlang und kommt hinauf zu der Grillstelle, die
den Osterhasen traumatisierte mit all diesem toten, eingepackten Fleisch, das
der Abschaum frisst und doch nie daran erstickt. Hier kam schon länger niemand
mehr vorbei, es wurde mittlerweile zu kalt für den zivilisierten Menschen. Und
nun erblickt der Meister voller Schrecken, wo es sich sein Freund gemütlich
gemacht hat nach seiner lang andauernden Depression, die ihn ausbrennen liess
und zum Schluss auffrass. Er liegt direkt auf der Grillstelle, nur geschützt
von dem Gitter über ihm und ein paar Blätter, die er anscheinend noch gesammelt
hat, darunter. Es sieht fast schon gemütlich aus und seine Absicht war klar. Er
wollte sich an diesem Abschaum rächen, der seinesgleichen unterwirft und
misshandelt. Der Osterhase erzählte mir einst die Geschichten der Katzen, den
er in seinen letzten Wochen öfters begegnet ist. Diese werden getreten und
fortgejagt, wenn es dem Abschaum geliebt, doch will er Liebe von ihnen, zwingt
er sie dazu, ob sie sich wehren oder nicht. Er fragte mich damals entsetzt, ob
ich auch so grausam wäre und warum die Menschen eigentlich so sind. Ich wusste
keine Antwort darauf und ebenso wenig wollte ich ihm erzählen, dass gar Hasen
in viel zu kleinen Ställen gehalten werden und kaum rauskommen, und dass selbst
ich einst solche hatte, für die ich mich anfangs noch interessierte, bis mir
die Energie dazu fehlte. Und auch mit ihm bin ich so umgegangen, er war für
mich nur Inhalt einer kleinen Geschichte, die ich nie gross ausführen wollte.
Meist wich ich darauf zurück, wenn mir sonst nichts Besseres eingefallen ist,
doch sonderlich tief ging es nie. Und nun ist er tot. Er liegt hier vor mir und
man sieht die Tränen, die er zuletzt noch vergossen hat. Vermutlich hat er sich
aushungern lassen und ich war es auch, der ihm damals von seinem eigenen
Versuch erzählt hat. Doch was soll ich nur mit ihm machen? Bis die Menschen
zurückkehren, an denen er sich rächen wollte, ist er bereits verwest und
höchstens ein dunkler Fleck bliebe übrig. Doch ich möchte ihm auch nicht seinen
letzten Willen nehmen, indem ich ihn wegtrage. Eigentlich ist es egal, wer
schockiert vor seiner Leiche zurückweicht, verdient hätten sie es alle. Das
einzige, was ich noch für ihn tun kann, ist, ihn zuzudecken und mit Steinen
eine Mauer um ihn zu bauen, damit er nicht gefressen wird. Dann wird sein
letzter Plan noch möglichst lange erhalten bleiben. So soll es geschehen und zuletzt
werde ich mich zu ihm gesellen und mich schützend über ihn legen. Das bin ich
ihm schuldig.
RvH, 31.10.2019, 21:27, 0105