Erfreuliche Aussichten


Achja, der Winter naht wie auch der nächste Satzbaustein. Und der Spott zielt nun gegen mich selbst, der sich stets unschlüssig ist, was als nächstes geschieht. Wie soll nun mein Mythos aussehen? Ein einsamer Junge, der den längsten Abschiedsbrief seit Menschen gedenken verfasste, oder doch eine schillernde Kunstfigur, die den Abschaum noch sehr lange quälen wird, bis sie beide genug voneinander haben und gegeneinander in den Krieg ziehen? Solch Schlachten focht ich schon einige aus und sie ermüden mich noch immer. Viel spannender würde es auf der nächsten Stufe nicht werden und selbst der Rang eines Weltstars bietet mir nicht genug Möglichkeiten, meine Rachegelüste angemessen auszuleben. Also bleibt mir nur noch der Kampf gegen mich selbst, den einzig übriggebliebenen Gegner, den ich noch ernst nehmen kann. Dieser Gegner ist zwar klein, doch sein Verstand erhebt sich über die gesamte Menschheit, was gleichzeitig auch sein grösstes Handicap ist, nebst der noch nicht ganz abgelegten Hoffnung, dass seine Artgenossen doch noch die Kurve kriegen. Eigentlich völlig verblödet, so etwas anzunehmen und so bliebe ihm eigentlich nur noch ein Leben als Zyniker, der sich die Taschen vollstopft und sich emotional abschottet, um nicht an seinem Leid zugrunde zu gehen. Doch dafür wäre ich mir zu fein, ich halte meine Weste lieber sauber, nicht aus moralischer Überlegenheit, sondern aus Angst davor, dass mich die Konsequenzen meines Verhaltens eines Tages einholen werden. Nur schon jetzt schlägt mir jeder noch so kleine Fehltritt hundertfach zurück und nicht nur bei solchen Dingen, eigentlich ganz grundsätzlich bei allem, was ich tue. Also hätten wir hier die besten Grundbedingungen vor unseren Füssen, um an weltweiten Einfluss zu gelangen, wir müssten sie nur ordentlich niedertreten. Was hält mich also noch davon ab? Eigentlich nichts, abgesehen von der Tatsache, dass ich das Essenzielle meiner Kunst immer noch nicht hingekriegt habe. Ein Geschrei, so schön von all dem Frust und der Wut durchtränkt, die mich seit Anbeginn meiner Zeit verfolgen und mich tot sehen wollen. Und sie haben ja recht, ich hätte nicht solange überleben dürfen. Und so unternehme ich im Monat meiner Geburt die letzten Versuche, die Zerstörung meines bisherigen Lebens durchzuführen, wie es denn auch immer ausgehen möge. Ob nun der Tod oder mein künstlerischer Durchbruch auf mich wartet, mir kann es egal sein. Ich will nur schreien und all den Hass rauslassen, egal mit welcher Konsequenz, Hauptsache konsequent. Scheiss auf meine Verbitterung, diese hat kein Erbarmen mit mir, sie ist nur erbärmlich. Scheiss auf schlechte Wortspielereien, ich bin ein Meister meiner Kunst, es werde also Gold, wenn ich es gen aussen lasse. Dieses Vertrauen brauche ich mir nicht zu erarbeiten, es wird angenommen werden müssen. Besser fügt sich die Weltöffentlichkeit meiner Genialität, die ich mir über die Jahre angeschafft habe, als wäre es eine Leichtigkeit, und ich schwinge mich an den Schultern meiner Widersacher in die Höhe, als wäre es Leichtathletik. Doch um gegen Schluss noch einmal die Ernsthaftigkeit meines Wesens zu wahren, möchte ich die künftigen Leser meines Samenergusses darauf hinweisen, dass ich es ernst meine. Übertreibungen geschehen keine, Ironie ist lediglich ein Witz und die Revolution wird kommen, ob ihr es wollt oder nicht. Und ich gehöre einer Riege von Protestsängern an, die seit Jahren den Untergang des Kapitalismus predigen und alles dafür geben werden, selbst ihr Leben, um ihre Hörerschaft anzustacheln, für uns in den letzten Krieg zu ziehen, der keine gewollten Todesopfer fordern wird, aber sie dennoch in Kauf nimmt. Nur wer sich uns in den Weg stellt und weiterhin die Zerstörung und die Habgier predigt, kann sich nicht sicher sein, ob er den Neubeginn erleben wird, der die kommende Utopie einläuten wird. Ansonsten droht Tod und Verderben über unseren hübschen, kleinen Planet auszubrechen, den wir nie angemessen gewürdigt haben, als wären wir zurückgebliebene Halbaffen, was wir in Wahrheit sind. Wir sind die dümmste Art hier auf dieser vermeintlichen Scheibe und das wird uns töten, wenn wir uns weiterhin der Bildung entbehren. Nun wird es selbst für zu abgedroschen, daher beende ich es nun. 

RvH, 01.11.2019, 00:14, 0107