Mein Heim, dein Gefängnis


Dies ist ein hübscher Saustall, den ich hinterlassen werde. Eine Wohnung voller Müll und Staub, in dem sich süsse, kleine Tiere breitgemacht haben, die aber leider keine Miete zahlen. Es würde Wochen dauern, nur schon all die Red Bull Dosen, die vor allem in dem einen, völlig unbegehbaren Drittel des Sofaraumes liegen, sachgerecht wegzubringen. Die dazugehörigen Kartons brauchen vermutlich mehrere Stunden, um sie zusammen zu binden, doch dazu fehlt mir die Zeit. Der Club ruft mich. Es ist bald soweit. Zum Glück existiert kaum noch dreckiges Geschirr, da das meiste bereits kaputt ging und auch schon entsorgt wurde. Seitdem geschah vermutlich kaum noch was bezüglich Sauberhaltung und ähnliches, um mein geliebtes Heim bewohnbar zu halten. Da es mich noch nicht unter all dem Dreck ersticken liess oder andere Mordversuche unternahm, bleibt es zwar theoretisch noch bewohnbar, aber nur für extrem depressive Menschen, denen alles egal ist. Seid gegrüsst und willkommen, hier euren Sozialdienst zu erledigen. Essen gibt es genug, diese Kosten muss ich also nicht für euch übernehmen. Ihr müsst nur suchen, all die Fliegen und Spinnen überleben nicht von alleine. Doch nun geht hinaus, ich ertrage euch nicht mehr. Ich möchte in Ruhe gelassen werden und mich voller Freude meiner Einsamkeit hingeben. Die Kernaufgabe dieses Unternehmens, welches hier drin ihren Sitz hat, besteht darin, Texte künstlerisch anspruchsvoll dahin zu rotzen und diese kann nur ich niederschreiben. Eine angenehme Atmosphäre, die dadurch entsteht, in ihrem Volumen nicht unnötig Platz zu verschwenden, könnte zurzeit hinderlich sein, da sie mich gleichzeitig herausfordert, sie so zu erhalten. Eine Atmosphäre ist lediglich da, sie tut nichts, sie schafft sich selbst nur durch andere Gegenstände, die in irgendeiner Weise dastehen. Dumme Atmosphäre. So liess ich sie verwahrlosen, indem ich sie misshandelte und alles, was mir in die Hände kam, auf ihren heissgeliebten Boden zu werfen, der leer sein müsste, um sie, die Atmosphäre, in ihrem vollen Umfang geniessen zu könne. Doch nahezu jeder Schritt erfordert eine gewisse Geschicklichkeit, wie sie im Alter nachlassen und so wurde meine Wohnung eine Hölle für Senioren. Schon bald werde ich die ersten aus dem Altersheim locken, das gleich nebenan steht, um sie in mein Labyrinth zu entlassen, wo sie verenden werden wie Zootiere in der Wildnis. Ohne Essen, keine Orientierung, purer Stress. Ich muss mir noch überlegen, wie ich denn Müll lege, um sie in ihre Zelle zu führen, die ich vermutlich im Schlafzimmer eröffnen werde, um sie dort einzuschliessen. Und vielleicht müsste ich mir gar überlegen, wie ich sie überhaupt in meine Wohnung bekomme, nicht alle alte Menschen sind völlig verblödet und senil. Ich bringe den Enkeltrick auf ein neues Level, auf ein psychopathisches Level. Ich verachte alte Menschen. Sie verbrauchen zu viel Energie und geben nichts zurück. Das einzige, was sie hinterliessen, war ein beschissenes Wirtschaftssystem und die Rente ist auch nur für sie noch sicher. Egoistisches Pack und hier folgt die Strafe. Nachdem ich sie ein paar Stunden herumirren liess und sie mich, den jungen Herren, dazu baten, ihnen den Weg raus zu zeigen, werde ich beginnen, sie aufzuklären. Ich beginne meine Erklärung mit Computersystemen, die vielleicht schon meine Generation beherrschen wird und vielleicht gar auslöschen, von Überwachungsmöglichkeiten, von der die Stasi nur träumen konnte und von einer zerstörten Natur, die sich wehrt. Ich erzähle ihnen von Ewigkeit und Endlichkeit, und dass diese beiden Begriffe sich nicht zwingend widersprechen müssen. So nähere ich mich ihnen und ihrem Schicksal in meinem Monolog, den sie bereits seit Stunden ertragen, und ganz langsam, Stück für Stück verstehen sie, auf was ich hinaus möchte. Sie sind gefangen. Sie werden nur noch diesen Müll um sie herum sehen, der sie verspottet mit all ihren Einzelteilen, die meist nur einige Gramm wiegen. Und doch sind sie stabiler als die Mauer, von der sie nur hörten, nun erleben sie es. Nur im Kleinen, doch dafür umso erbarmungsloser. Doch dies ist nur eine Zukunft von vielen, die ich mir errichten könnte, hätte ich nicht aufgegeben. Ich verspotte einen körperlichen Zustand, den ich nie erreichen werde, einfach nur um wirre Ziele zu erreichen, die ich mir gesteckt habe. Doch auch der Menschenhass bringt seine Zutaten dazu, diesen Nährboden des Frustes in die richtige Form zu bringen, damit er seine Wirkung erzielt. Eigentlich wollte ich nur darauf hinweisen, dass ich mir sehr wohl bewusst bin, in was für einen Zustand ich meine Wohnung hinterlasse.

RvH, 29.10.2019, 15:46, 0096