Alles oder Nichts


Und ich bin mir stets treu geblieben in meinem Versagen. Es verliess mich nie, das Schicksal des stolpern und weiterkriechen, aufstehen und gleich wieder hinfallen. Nur ein Teufelskreis, der mich von innen auffrisst und mich in mich hineinscheisst, um meine Gefühlswelt detailgetreu wiederzugeben. Nun schiess ich es über den Tag hinein aus und fühle mich nun leer, als wäre der Schrecken jetzt vorbei. Dies bezweifle ich, denn ich bin ein kritischer Mensch, der voller Furcht auf alles herabblickt, was dort unten in der Hölle geschieht. Kaum denkbare Wahnvorstellungen nahmen schon vor langer Zeit Formen in der Realität an, die Mauern zwischen Kulturen errichteten, um sich gegenseitig besser jagen zu können. Ansonsten fielen all die Leichen auf, die systematisch totgeschwiegen werden oder aber auf vielfältigste Weise verspottet. Nun kann ich glücklich sterben, denn ich entschied mich für den leichteren Weg. Wie weit werde ich es noch herausschieben, bis ich es nicht mehr aushalten kann? Es wäre das schwierigste, was ich je getan hätte. So wäre der letzte Schritt meiner Existenz ein alles entscheidender, der Lichter löscht, die abstrakt in einem Tier erglühten. Diese Lichter habe ich zwar liebgewonnen, doch sie liessen mich ausbrennen und aufgeben, da ihre Wärme nicht mehr tröstete. So kullern keine Tränen mehr raus, die Druck abliessen, auch Hoffnungen, die einen soliden Ausgleich schufen, sind nicht mehr greifbar. Das waren sie nie, nur eine fixe Idee, die unmögliche Ausmasse annahm. Seht her, ich scheitere gerade bei der Niederschrift der letzten Schaffensphase. Die letzten Schläge der Schocktherapie, die an mir ausgeübt werden, überfordern mich ein wenig bis masslos. Ich kann es nicht mehr richtig einschätzen. Es schwebt alles an mir vorbei, die Umwelt und dessen Menschen sind nur noch Kulisse meines Untergangs. Dies Theater war nie sonderlich beliebt. Ich führte es dennoch vor, denn ich war überzeugt davon, es wäre sinnvoll. Als könne ich so die Leichen um mich herum aufwecken, wenn ich sie nur hysterisch genug anschrie, um sie auf ihre begangenen Ungerechtigkeiten hinzuweisen. Sie verstanden es nie und werden es auch nie. Ich war alleine. Die Grabinschrift meines Vertrauens, das ich der Menschheit gegenüber gebracht habe, war von Misstrauen geprägt. Sie sollen es sehen, alle, die in melancholischer Stimmung auf den Friedhof gehen, sollen es lesen und verstehen. So kam immerhin meine letzte Botschaft an. Es könnte allerdings auch ein Skandal ausgelöst werden, der dazu führt, dass ich posthum zensiert würde. Schweig! Denn ich war nur ein feiger Hurensohn, der das Leben nicht schätzte. Gottes Existenz leugnete er und verachtete grosse Teile der Kirche in all ihren Ausrichtungen, die das Karmakonto letztendlich stets im Negativ hielten trotz nett gemeinten Versuchen der Weltverbesserungen. Ihre Anhänger waren doch auch immer auf einem Auge blind, so harmlos sie teilweise auch sind. Ich werde auf sie herabstürzen und so einen Flächenbrand auslösen, auf dass Satan vielleicht doch noch stolz auf mich sein wird. Ein gefallener Engel, der bei seinem Sturz immerhin eine Kirche trifft. Leider fällt mir keine passende ein, dass mir nichts anderes übrigbleibt, als die einfachste Endlösung zur Erlösung zu wählen. Ich langweile mich selbst. Ich bin nur ein Niemand, der seine Aufgaben verrichtet, da man ihn ansonsten vernichtet. Schon bald werfe ich mein Schwert des Wortes in das Meer der Verdammten und gehe hinein in die düstere Welt der vielen Gesichter, die mich anstarren und beneiden. Denn sie waren einst wie ich, ein zorniges Mädchen, das auf Rache aus war, da man mir alles nahm. Mein Zuhause ist einer Hölle gewichen, die im Alter zunimmt und für ewig währt. Ich wollte fliehen, um zu morden, doch ein Germane hielt mich zurück. Er folterte mich solange, bis ich ihm treu ergeben war. Er sah durch mich hindurch, was ihn jeden meiner Gedanken offenbarte und er las darin, was mein teuflischer Plan war. Dies musste er verhindern, denn ansonsten hätte mich ein Sturm erreicht, der mich erst fliegen liesse, um mich anschliessend fallen zu lassen. Die Drogen hätten mich schon erwartet, zahlreich in ihren Arten, die zusammen eine alternative Hölle für mich bereithielten, sobald ich in sie hineintauche. So ist es entspannter und die Entscheidung fiele bewusst. Ich bin kein grosser Verlust, ich brächte die gute Sache lediglich in den Verruf, abscheuliche Absichten mit der Menschheit zu haben. Ein Verrückter alleine unter einem hinterwäldlerischen Volk voller Feiglinge, das er tyrannisiert, bis er eingesperrt würde. Nicht zwingend ins Gefängnis, eine Psychiatrie täte es auch, um mich loszuwerden. Niemand ausserhalb hörte je mein Wehklagen über meine Wärter, die mich stumm schalteten. Doch dies werde ich nicht zulassen, ich werde es erst gar nicht soweit kommen lassen. Ich schalte mich selbst auf stumm, denn mir blieb nur eine Wahl. Alles oder Nichts. 

RvH, 26.10.2019, 23:15, 0094