Live aus der Todeszelle

 
Nun denn, der Joint des Grauens wurde vernichtet und so geschah, was geschehen musste: Die Sammelwut. Doch bevor ich diesem Drang nachgehen werde, muss erst noch ein zweites Ungetüm geschlachtet werden, damit nach den Kundschaften nur noch vier übrigbleiben. Dies sollte ohne unerträglichen Stress hinter uns gebracht und dabei vielleicht sogar eine inhaltliche Relevanz erreicht werden. Garantiert ist allerdings nichts, denn immerhin befinde ich mich noch immer in der Todeszelle, von der ich noch nicht flüchten kann. Diese Keimzelle der Depression sog mich 5 Jahre lang aus, ohne ihr Ziel endgültig zu erreichen und noch bevor der endgültige Fall eingesetzt ist, werde ich bereits draussen sein, so Gott will. Vielleicht kann mir ja dieser Bastard dabei helfen, die nötige Kraft für die kommende, noch in der Ungewissheit gefangenen Woche zu erhalten, damit die Voraussetzungen gegeben sind, die Flucht möglichst unbeschadet zu überstehen. Die langersehnte Flucht aus der Hölle kann tatsächlich Wirklichkeit werden, was ich erst langsam zu fassen vermag. Nach Jahren der zynischen Regierung meines Lebens schleicht sich endlich wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer ein, der keine Mogelpackung zu sein scheint. Im Präsenz der Zeit müssen allerdings die letzten Wochen der Haft irgendwie hinter uns gebracht werden und um die notwendige Ruhe beizubehalten, müssen mögliche Versprechung bezüglich der Essenz vielleicht aufgeschoben werden. Gelegentliche Trainingseinheiten sollen geschehen, aber der Anspruch sollte runtergefahren werden, damit nicht die gesamte Energie dafür draufgeht, zumal ich diese ja noch für die Säuberung des Todes wie auch für den Entzug benötige. Letzteres sollte schon morgen beginnen und so einen angemessenen Anfangspunkt erhalten. Die letzten Tage und vor allem deren Dokumentation dürfen getrost als einen ersten gescheiterten Versuch abgetan werden, als eine Art Erprobung des Ernstfalls, an dem dann auf alles verzichtet werden sollte - vor allem auf ein Ausweichen auf das Gift. Dümmste Idee ever. Aber leider bereits so stark in meinem Suchtgedächtnis eingespeichert, dass sich dies noch als eine noch grössere Hürde in den Weg stellt, um gar nicht voranzukommen. Wie verfahren wir mit den Zuckergetränken? Mehr als einen Zugriff darauf an einem Tag müsste man vermeiden können, weil ansonsten nur der Weg zurück in die Sammelwut geebnet wird. Und wie bringen wir einen guten Mix zwischen der Säuberung und dem Schnappen von frischer Luft zusammen, die notwendig ist, um den Kopf freizubekommen? Nur so saugt uns die Todeszelle nicht auf, worauf nur ein vollkommener Streik des Körpers folgen kann. Diesen benötigen wir allerdings in einer Weise, wie er schon lange nicht mehr benutzt wurde: Als fleissiger Arbeiter. So viel zu erledigen und nur die Hoffnung kann mir die Kraft geben, diese überlebensnotwendige Übergangsphase zu überleben. Oh ja, scheiss abermals auf die Stilistik, scheiss auf Ansprüche. Ich muss es nur hier rausschaffen und dann kann der Neustart kommen. Der erste nachhaltige Neustart eines von Beginn an auf dem Boden liegenden Lebens, das mir bis auf eine gesicherte Existenz nichts zu bieten hatte, auf dem ich all die Scheisse hier aufbauen konnte. All die Scheisse, die seit Beginn der Aufzeichnungen der Saga um den Club der 27 live mitverfolgt werden konnte. Es war ein langer Weg hinaus aus der Todeszelle, in der sich bis jetzt nicht viel mehr getan hat als schon immer und doch steht die Flucht vor der Tür. Abermals blitzt der Verdacht auf, dass ich all diesen Wahnsinn lediglich aus dem Grunde begonnen habe, um mich aus meiner kläglichen Lage zu befreien. Das erste Mal zeigte sich dieser, als sich mir vor einem Jahr das Bullenschweinchen aufgedrängt hat, was dazu geführt hat, dass ich den Teppich aus Aludosen entsorgen musste. Der erste Schritt kam so in Gang, der allerdings so viel Stress ausgelöst hat, dass das Geschrei ein neues Level erreicht hat, woraufhin der Prozess der Zurechtweisungen erst begonnen hat. Diese Kette der Ereignisse bescherte mir einen Tiefpunkt nach dem anderen, von dem jeder als Anlass genommen wurde, endlich aufzuerstehen. Es gelang mir nie. Stattdessen häuften sich die Beschwerden, Besuche von Bullenschweinchen wurden zu gewohnten Ereignissen, bis erst die Kündigungsandrohung reingeflattert kam und ein paar Monate später schliesslich die Kündigung. Und schon sehen wir eine realistische Fluchtmöglichkeit, die mich nicht gleich wieder in eine neue Todeszelle einsperrt, sondern nur ein befristeten Aufenthalt bereithält, damit sich der Wahnsinn nicht noch einmal wiederholt. Und hier sitzen wir nun, auf demselben Sofa wie schon zu Beginn der Saga, aber es scheint so, als könnte es jetzt endlich weitergehen mit meinem verfluchten Leben. Hast du gehört, Satan? Du hast mich zwar ordentlich durchgefickt, aber ich gehörte dir nie komplett und mit in die Hölle reissen konntest du mich bis jetzt nicht. Also fick dich. Dein Kraut genügt mir und wir werden uns heute zum letzten Mal gemeinsam den Rest geben. Bis in zwei, drei Stunden, du Hund!
 
- RvH - 30.04.2021 - 12:20 - 0347 -