Der Dauerzustand des Menschengeschlechts
schleicht sich durch alle Zeiten hindurch und hinterlässt einen grossen Haufen
Abschaum in stetiger Schockstarre vor den Gefahren der Welt. Einst war der Naturzustand
in der Wildnis des täglichen Überlebenskampfes das Bedrohlichste, was die
Umgebung zu bieten hatte. Doch mit der kontinuierlichen Entwicklung
gesellschaftlicher Strukturen gerieten die Gefahren der Natur immer weiter in
den Hintergrund eines obszönen Bildes einer pervertierten Spezies, die sie den
Abschaum nannten. Sie alle waren täglich an der gegenseitigen Ausbeutung
beteiligt und verhalten sich auch heute noch so, als müssten sie ständig in
Kampfbereitschaft gegen Raubtiere und anderen Ihresgleichen sein, was längst
überwunden werden könnte. An die Stelle, wo solche Selbstreflektionen ihren
Platz haben könnten, tritt die repetitive Überlegung über die Anhäufung abstrakter
Zahlen, die ein bedrohliches Rot annehmen, wenn sie zu tief sinken. Sobald diese
Abwärtsspirale unter Null einschlägt, kommt schon bald reale Gewalt in das Haus
geflattert, die sich den meisten nur in Uniformen präsentiert. Nicht nur, dass
durch solch einen Zustand, den sie Armut nannten, die Nahrungsbeschaffung
unglaublich kompliziert wird, obwohl moderne Tempel in allen Ortschaften
stehen, es kommen am absoluten Tiefpunkt uniformierte Gestalten in die
überlebensnotwendige Überdachung und werfen einen raus auf ungemütliche
Strassen, die ohne Geld nichts zu bieten haben. Ein Zurück in den Naturzustand
ist kaum noch möglich, da diese Spezies über die Generationen hinweg verlernt
hat, worauf es beim primitiven Überlebenskampf ankommt. Daher bleibt den
Auserwählten der Drohkulisse nur die Flucht in riesige Betonwüsten, die Platz
und Almosen bieten, damit man wenigstens nicht elendig verhungert. Die
Dankbarkeit für den allerletzten Strohhalm, an dem sich gehalten werden kann,
hält sich erstaunlicherweise in Grenzen und statt an dieser existenziellen
Erfahrung zu wachsen, verwahrlosen sogenannte Obdachlose immer weiter, bis sie
von ihren Artgenossen nicht mehr als solche erkannt und anerkannt werden. Das
Wissen über die Existenz solcher Menschen könnte ein erstes Warnsignal sein,
das ein jedes Subjekt ins Grübeln bringen müsste, doch stattdessen blicken sie
auf diejenigen Verlierer herab und sind insgeheim erleichtert darüber, dass es
sie nicht getroffen hat. Oder noch nicht. Nun sind wir in der Historie an einen
Punkt gelangt, der die instabile Gesellschaftsstruktur ins Wanken brachte, weswegen
immer mehr von ihrem vermeintlich sicheren Boot eines Broterwerbs
hinunterfallen in prekäre Lebensumstände, die wohl schon bald eine Zeitenwende
einleiten werden. Wir befinden uns erst noch in der Vorbereitung eines
kompletten Zusammenbruchs, an dem nie dagewesene Aufstände einen optimalen
Nährboden finden werden. Viele unterschiedliche gesellschaftliche Strömungen
versuchen sich bereits am Umsturz der Machtverhältnisse, doch wissen noch nicht
genau, wie an ihnen einen nachhaltigen Schaden erwirkt werden könnte. Nur
wenige dezidiert Linke finden sich unter den Demonstranten, obwohl dies einst
ihre Disziplin war. Zwar ist es kein neues Phänomen, dass die meisten
erfolgreichen Demonstrationen keine linken Veränderungen mit sich brachten -
gerade im dritten Jahrtausend - aber nun ist es ständig eingenommen von
allerlei Verwirrungen, die noch eine explosive Dynamik annehmen werden. Nun also
erreichte die Alarmstufe Rot ein neues Level, von dem aus es über die Sonne
hinweg auf den blauen Planeten strahlt und kurz vor der Pandemie die Jugend
aufschreckte, bevor sie sich alle in ihren vier Wänden verkrochen haben, die
ihnen vielleicht schon morgen genommen werden. Welch eine fabelhafte
Ausgangslage ist dies denn, von der ich nach einer mehrjährigen
Arbeitslosigkeit wieder Fuss fassen soll? Mir bleibt nichts anderes übrig, als
all die verwirrten Seelen, die ihrer Unzufriedenheit freien Lauf lassen, hinter
mir zu versammeln, um sie in die richtige Bahn zu lenken, die weit links von
ihrem bisherigen Weltbild liegt. Aber wie nur? Ich bin ja selbst seit bald 30
Jahren in einer Schockstarre über die unhaltbaren Zustände der Welt und habe mit
diesem Bewusstsein über den nahenden Untergang nur überlebt, weil ich naiven
Träumereien verfallen war. Diese Überlebensstrategie brachte mir nichts ein bis
auf eine Depression inklusive Drogensucht und steigendem Frust, sodass ich
schon bald platze. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich zumindest auf einer
stumpfen Gefühlsebene mit dem Abschaum verbunden, was mir die einmalige Chance bietet,
mit der Aussenwelt in Kontakt zu treten und sie für meine Zwecke der Weltrettung
zu vereinnahmen. Gemeinsam werden wir Rot sehen - ob Schlachtfeld oder
Paradies. So schrieb es ein testogeschwängerter Maskulinist und ich zitiere
diesen. Gern geschehen.
- RvH - 24.04.2021 - 21:53 - 0339 -