Die Wege des Geldes

 
Die Wege des Geldes sind unergründlich. Trotz doppelter Buchführung verlieren sich ihre Spuren in den digitalen Sphären, durch die in Sekundenbruchteilen ganze Weltreisen unternommen werden können. Dort springt es von Konto zu Konto und versteckt sich vor Parasiten, die ihre Masse doch nur eindämmen wollen, um sich selbst die Taschen vollzustopfen, während Almosen an die Armen ausgegeben werden. So gehen allfällige Ersparnisse verloren, auf die in Notsituationen zurückgegriffen werden kann, sollte sich zwischendurch mal ein Tief über die Wildnis des Freien Marktes ausbreiten und so den Konsumwahn eindämmen. Zumindest gilt dies Vorrecht bereits jetzt für die besonders erfolgreichen Unternehmungen des wilden Westens, der sein grösstes Unwesen in der Peripherie ausserhalb seines Hoheitsgebietes treibt. Wo kämen wir denn dahin, wenn nicht die treuesten Diener der Gewinnmaximierung abgesichert wären? Es ist eine Frage der Ehre, die Grössten nicht fallen zu lassen, da sie alle zu ihnen hinaufschauen und in ihren Schatten von der Sonne träumen, die sie antreibt, immer weiter zu steigen und niemals die Hoffnung aufzugeben, sich auch mal die Finger an ihr verbrennen zu dürfen. Es soll ein befreiendes Gefühl sein. All die Ketten der Gesellschaft, die einem an Ort & Stelle verweilen lassen, können gesprengt und nach Belieben Heere von willenlosen Sklaven herangeschafft werden, die allerlei für einem errichten, ob es nun ein Denkmal sein soll oder doch lieber ein kleines Imperium innerhalb einer Branche, die noch nicht von allzu vielen Aasgeiern durchsetzt ist. Doch mit der nötigen Anzahl an Nullen können auch diese aus dem Weg geschafft und gar das Gesetz abgeschafft werden. Die Verwirklichung des eigenen Wahnsinns war noch nie so einfach wie heute, aber nur für solche mit wahrem Mumm. Und wir strotzen nur so davon. Zudem wurden wir auserwählt, uns nie vollkommen dem steinigen Pfad des einfachen Volkes hingeben zu müssen. Seit Jahren schon treiben wir im Sand der Zeit dahin und wurden doch nie runtergezogen und bestraft von unserem Herren der Unterwelt, der unter all dem Geld, das er schuf, begraben liegt. Nur mit der Hilfe seines Höllenfeuers kämpft er sich durch das Dickicht von gesellschaftlichen Zusammenhängen, die nur durch seine Energie angetrieben erst solch ein Ausmass annehmen konnten. Die Türme zu Babylon blicken auf die vollkommene Zerstörung ganzer Lebenswelten herab, die zu schwach waren, mit dem Goldrausch ihrer Konkurrenten mitzuhalten und daran zugrunde gingen. Ich gehörte stets der Schicht von gemütlichen Nutzniessern an, die ihrem schlechten Gewissen mit fleissiger Verwaltungsarbeit entgegenwirkten, die relativ leicht zu erledigen ist und mit ihrer Nähe zum Geld ein solides Einkommen ermöglicht. Nichts Wildes, nichts Ausgesorgtes, aber eine halbwegs würdevolle Absicherung vor den Gefahren der Armut, die über alldiejenigen einherfällt, die nicht gesegnet wurden. So beten wir nun gemeinsam für die verlorenen Seelen, die der unzweifelhaften Logik des Systems zum Opfer fallen, damit wir leben können. Durch ihre Gaben von Körper & Entlöhnung, die sich nach ihren mangelnden Qualifikationen richtet, tragen sie uns auf ihren Händen in die Nähe des Eisernen Thrones, der sie einst mit all seinen Bestandteilen ausbluten liess, bis sie sich ergaben für einen höheren Zweck, der ihr schwacher Geist nicht zu fassen vermag. Nun genügt meist schon, sie an der kurzen Leine zu halten, damit sie nicht abermals aufmüpfig werden und wenn doch Einzelne aus der Reihe tanzen, sind Gegenmassnahmen systematisch an der Tagesordnung und jederzeit abrufbar, sodass kein Blut fliessen muss. Wie zivilisiert diese Welt doch innerhalb kürzester Zeit wurde, nachdem sich unser Hoheitsgebiet von der Schande des Krieges freimachen konnte und die sichtbare Zerstörung so weit von sich fernhielt, dass sie nicht mehr so leicht zurückverfolgt werden kann. Und wenn doch, ist allein eine vereinfachte Kausalkette der Ereignisse so kompliziert und in unterschiedlichste Nationen & Branchen verwoben, dass selbst der Klügste schier wahnsinnig wird, wenn er versucht, all dies zu fassen. Auch wir hier in unserem gemeinsamen Geist sind trotz effektiver Arbeitsteilung noch an keine Stelle geraten, von wo aus alles überblickt werden könnte. Regelmässig fügen wir unsere neuesten Beobachtungen zusammen und kommen doch immer wieder an denselben Punkt: Alles scheisse, alles Dreck. Schwamm drüber, ich wisch das weg. Sobald wir halbwegs sauber & clean sind, holen wir schnell unser Haque und widmen uns vollumfänglich der Kunst & Aufklärung, die uns ja so wichtig ist, auch wenn sie uns kaum Futter reicht. Dazu benötigen wir nach wie vor unsere Erzeuger. Zumindest über die Wege des Geldes. Der Rest geht mehr schlecht als recht vonstatten und steigert unser Bedürfnis nach finanzieller Unabhängigkeit umso mehr, weil ein Leben nicht genug ist, um zur Ruhe zu kommen. Daher muss das Restliche vollkommen ausgeschöpft werden. Wir sehen uns im Auge des Shitstorms. 
 
- RvH - 08.04.2021 - 00:21 - 0327 -