Abschaum einer Heilen Welt

 
Seit nunmehr über einem Jahr zeigt er sich ungeschminkt der Weltöffentlichkeit: Der Abschaum einer Heilen Welt. Dieser brodelte für die meisten ungesehen in den Tiefen des Abgrunds einer kleinen Menschheitsgeschichte, wie sie sich schier unendlich in die Länge zieht. Es scheint, als ginge es in ihrem Verlauf, die all das Leid verursacht, nur darum, die bereits über Jahrtausende anwachsenden Schrecken stetig zu übertreffen, bis es schlichtweg nicht mehr weitergeht. Als hätte sie sich schon zu Beginn dazu entschieden, als eine dieser Serien zu enden, die sich nur noch des Geldes wegen reproduziert, um schliesslich als Inzestgeburt einer letzten Staffel abzutreten. Jede Woche eine Minute einer Folge, die ein Jahr andauert und mit der Hundert eine Staffel vollmacht. Vielleicht bleibt die Letzte unvollendet. Sonderlich tragisch wäre es nicht. Eher käme dies abrupte Ende einer Erlösung gleich, da diese Serie bereits jetzt deutlich weitergegangen ist als jede andere, die doch höchstens ein degeneriertes Abbild von ihr abgeben. Es ist die Saga der Kolonien des Virus, die sie zu imitieren versuchen. In ihr herrschen die Weissen Ungetüme, durch deren Augen das Geschehen wiedergegeben wird und entsprechend ist die Sichtweise geprägt. Die fortlaufende Hintergrundgeschichte, die die namensgebende Handlung wiedergibt, erzählt von grossen und kleinen Viren, welche sich im biblischen Kampf David gegen Goliath befinden, der in gelegentlichen Schlachten ausbricht. Bisher konnte der Virus des Goliaths die feindlichen Angriffe stets abwehren. Auch die Verluste gingen tendenziell zurück und ihr Abschaum von einem Körper konnte sich stets regenerieren. In der aktuellen Staffel scheint es David nun ernst zu meinen und greift alle paar Folgen von neuem an. Der derzeitige Angriff begann gen Ende der Vorletzten, überdauerte die Letzte und wird es voraussichtlich mit der Jetzigen gleichtun. Die Spannung hat längst ihren Zenit erreicht und wich der Anspannung, die stetig anwächst, bis sie der Populismus platzen lässt. Er hat noch kein adäquates Ziel gefunden, das seinen Ansprüchen gerecht wird, weswegen er ruhig abwartet, bis ihm eine Gelegenheit anbietet wie eine Hure, die hart gefickt werden will. Und sogleich wird der geladene Frust abgeschossen, um das nächste Chaos zu verursachen. Naja, Chaos. Ein noch viel grösseres Chaos als wie schon immer. Die letzte Staffel war durchtränkt von Aufstiegsgeschichten, die einem - historisch betrachtet - relativ grossen Anteil am Abschaum zuteilwurde. Diese überdeckten das Chaos und schoben es von den Zentren der Welt ab, um sie dort einsam & verlassen verrecken zu lassen. Die Illusion einer Heilen Welt tat sich auf, wie sie in allen Zeiten gepredigt wurde und nun schien sie Realität geworden zu sein. Dafür musste man nur auf dem Freien Markt gewinnen. Wer nicht einmal das hinkriegt, kann nur unwürdig für den Genpool der Zukunft sein. Doch die Illusion platzte wie die Seifenblasen der Spekulation und als solche entlarven sie sich nach und nach. Von Links bis Rechts wurde solch eine Möglichkeit herbeigesehnt und nun dehnt sie sich langsam aus, frisst gemächlich Zelle für Zelle und schert sich nicht weiter um ein Momentum, das in vergangenen Zeiten noch Revolutionen ausgelöst hätte. Schon zwei Grössere gingen vorüber und wurden - wie heutzutage üblich - nach wenigen Tagen wieder vergessen. Auch Stürme der Empörung wurden inflationär schon vor den Jahren des Virus, den sie David nannten. So kann es nicht weitergehen. Dreckiger, dummer Abschaum. Denkt tatsächlich, entweder in der einstigen Normalität des Spätkapitalismus oder in der Ruhe nach dem Sturm auf Goliath würde er seinen Frieden finden. Diese Ruhe wird nie eintreten. Das letzte Feuerwerk einer aussterbenden Spezies hat erst begonnen. Ich heisse Sie herzlich willkommen in den letzten beiden Wochen einer ebenso zähen Saga, die ihr Ende auch danach nicht finden wird. Das zweite Drittel kommt erst noch. Obwohl das zweite Drittel bereits läuft. Oder verwechsle ich hier die Saga mit einer Trilogie, die sich weigert, real zu werden? War überhaupt irgendwas daran bislang real? Ist sie dazu verdammt, stetig unter Zeitdruck ihren Scheiss niederzuschreiben, damit sie niemals ihr volles Potenzial ausschöpfen kann? War dies nicht gar einst das ganze Grundkonzept von ihr? Wieso versuche ich überhaupt, den Weissen Ungetümen irgendein übergeordnetes Thema aufzuzwingen, wenn sie sich ohnehin nie daranhalten? Damit wenigstens ein bisschen was dabei rumkommt und zur Überprüfung meiner geistigen Klarheit? Derzeit etwas getrübt vom Kraut Satans. Immer noch kein Entzug. Richtig. Auch ich bin nur unfähiger Abschaum einer Heilen Welt, an die ich nie glauben konnte. Das einzige Mittel, das mir noch bleibt, ist die wortwörtliche Militanz. 
 
- RvH - 17.04.2021 - 18:25 - 0328 -