Sammelwut

 
Der Kampf der sammelwütigen Kundschafter hat begonnen. Sie werden immer mehr. Derzeit weiss ich von zwei Konkurrenten in unseren gemeinsamen Zürcher Unterlanden. Die Stadt ist zu überbevölkert, um dorthin auszuweichen und den noch früheren Vogel hinaushängen zu lassen, ermüdet mich schon bei der Vorstellung. Ich taste mich ohnehin schon an ein erträgliches Mass heran, um meine Lebenszeit in Anspruch zu nehmen, weswegen mich abrupte Änderungen zu sehr aus der Bahn werfen würden. Dies geschah in den letzten Tagen schon genug, weswegen mir nur der Abtritt der heissbegehrten Flecken übersäht von Jointstümmel übrigbleibt. Ich tue es in Demut für die letzten Jahre, die ihren Tribut einforderten, mich jedoch stärkten. Der zweite Kundschafter, den ich heute im legendären N-Coast entdeckt habe, ist deutlich effizienter und fitter am Werke, als ich es je war und zudem klüger in der Auswahl eines Behälter für die Blüten. Eine Zigarettenschachtel. So weit, so offensichtlich. Kam ich nicht drauf. Ich konnte seine Technik von der Treppe zum Bahnhof aus beobachten. Zum ersten Mal erblickt, habe ich ihn kurz davor an einem anderen Flecken, nur wenige Meter davon entfernt. Er blieb mit seinem Fahrrad zu lange an einer zu hässlichen Stelle stehen, wo sich nur eine Kifferrunde wohlfühlen könnte und sammelte offensichtlich deren Überreste ein. Leicht beeindruckt vom derzeitigen Tempo meines zynischen Lebens, mir schlechte Witze zu präsentieren, machte ich alle paar Schritte mit Husten auf mich aufmerksam. Er liess sich nichts anmerken, fuhr kurz vor meiner Ankunft aus der Ecke hinaus, wo er sich versteckt glaubte, fuhr einen Halbkreis ab, als würde er wenden, doch floh erst, als er realisierte, dass nun ich an dieser sonderbaren Stelle Halt machen würde. Die zweite Begegnung mit einem konkurrierenden Kundschafter innert kürzester Zeit hätte ich wirklich nicht erwartet. Ich mied in weiser Voraussicht den Bahnhof zwischen der Grossen Steinmauer und N-Town, um ebengenau solch einen erneuten Zufall zu entgehen. Pech gehabt, ich zynischer Witz von einem Leben. Immerhin scheine ich zumindest eine Art von Programm zu sein, das sich wohl langsam zu seinem Höhepunkt aufbaut, bevor es zu Ende geht. Wird es eine Zugabe geben? Oder war ich lediglich das ungeliebte Vorprogramm eines Duos, das nach mir kommt? Ich übergebe euch somit die Bühne in Anbetracht der Bürde, die sie darstellt. Die Freiheit, überall ein High auf dem Boden zu finden, bietet die Möglichkeit, sich jahrelang darin zu verlieren. So geschah es mit mir. Ich kann die Anzahl nicht eindeutig bestimmen, es ist mehr eine vage Schätzung, die ich nicht benennen kann. Ich weiss nur noch, dass ich diese Möglichkeit erst nur dazu nutzte, um schwierige Löcher zwischen zwei monatlich stattfindenden Deals zu füllen, wenn sich ein psychischer Notfall anbahnte. Bald schon wurde vom ersten Tage an das gesamte Loch gefüllt, bis ich mich dazu entschloss, nichts mehr einzukaufen. Also war ich von der Population der Kiffer in der Gegend abhängig und von der Häufigkeit, an der sie an bestimmten Orten auftauchen. Glücklicherweise ist der Bestand an täglichen Konsumenten sehr hoch, weswegen selbst eine ländliche Gegend von ein paar leicht zu erreichenden Dörfern einiges an Blüten abwirft. Dies habt ihr - meine Nachfolger - bereits festgestellt und nehmt immer mehr meiner einstigen Produktionsanlagen ein. Damit ihr von dieser Übergabe auch erfahrt, werde ich in den nächsten Tagen jeder einzelne Flecken beschmieren, den ich einst für mich beansprucht habe. Ihr werdet schon bald erkennen, dass ihr nicht die Ersten seid. Seid daher klug - trotz Sammelwut - und schöpft von den zahlreichen Erfahrungen, die ich in diesen Belangen in den letzten Jahren gesammelt habe. Zahlreiche Weisse Ungetüme reichen euch viel Stoff zum Lesen, mit dem ihr die aufkommende Dummheit kompensieren könnt, wie auch den stetig gesenkten Blick auf das Wesentliche in Suchtfragen, der eure Sicht zusätzlich benebelt, bis ihr euch auf einem Schlachtfeld wiederfindet. Ihr seid auch ohne mich immer noch zwei, von dem der Eine zumindest schon so weit geht, die Deckel der Bahnhofsaschenbecher runterhängen zu lassen, nachdem er den Inhalt nach verwertbarem Material abgesucht hat. Nicht, dass ihr irgendwann aufeinander losgeht und euch um fucking Jointstümmel prügelt. Dem konnte ich in aller Ruhe aus dem Weg gehen, weil ich damals noch allein unterwegs war. Ich hatte meinen Junkie-Lifestyle. Viel Spass mit dem Dreck, ich versuchs wieder clean ohne Rückstände von Asche & Wasser, das weggepustet gehört. Ich selbst habe es immer weggerissen und damit meine Finger schmutzig gemacht. Schwarz. Und ihr wollt also Rot sehen? Ich schlage euch auch noch Grün & Blau vor. Meine Markierungen werden euch verfolgen. Also sprach Gonzo-19: Lasset die Sammelwut dann aber auch irgendwann mal wieder sein. Also mach, Gonzo-19, mach mal vor! Sie werden dich sehen und zu Jünger werden. Bis bald. Vielleicht versteckt der Osterhase auch mal ein Geschenk für euch. Als Erinnerung an alte Zeiten, als ihr noch nicht so scheisse erbärmlich wart. Gern geschehen. 
 
- RvH - 26.03.2021 - 15:03 - 0313 -