Seite um Seite entsteht da ein Hirngespinst
voll von wirren Träumereien, die um Liebe betteln, doch nur Abscheu ernten.
Dies Haus von einem Gedankenpalast steht auf wackligen Beinen, die von einer
stabilen Basis nur träumen können. Der kleinste Hauch eines Windstosses kann
das Gerüst zum Wanken bringen. Bislang blieb es noch an Ort und Stelle stehen,
auch wenn es mit den Jahren deutlich an Ansehnlichkeit eingebüsst hat. All die
Steine, die auf ihn geworfen wurden, wie auch all der Lärm der Welt, der ihn
verstummen liess, gingen nicht spurlos an ihm vorbei, sondern schufen ein
Wespennest der Reize. Dieses schlägt bei der kleinsten Stichelei aus und sogleich
in hundertfacher Stärke zurück, auf dass sich der Angreifer in sein Loch
zurückzieht und an den Verletzungen stirbt. Er sollte doch um Gnade winseln,
doch stattdessen hebt er einen Spiegel vor mein Gesicht und reflektiert meine
verzweifelten Versuche, ihn auszublenden - auszuschalten. Unglaublich
lächerliche Szenerien spielen sich um mich herum ab und führen mir vor Augen,
dass es sich nicht lohnt, für die Menschheit und deren Potenzial einzustehen.
Die kommerzielle Ausschlachtung meiner Ungetüme muss also gnadenlos vonstattengehen,
damit ich nie wieder solchen widrigen Umständen ausgeliefert sein muss. Etwas
Ruhe und Privatsphäre, die Möglichkeit, tagelang auf soziale Kontakte zu
verzichten und keinen Stress mehr wegen Zahlen zu haben. Keine Abhängigkeiten,
keine erbärmlichen Wesen und ihre Geräusche, sondern nur noch
Menschenverachtende Untergrundmusik, die irgendwie an die Grenze zum Mainstream
gelangt ist, diese gar gelegentlich überschreitet. Alles Lügen, die sich mein
kindliches Ich zusammenfantasiert hat, um der harten Realität auszuweichen, die
sie alle da draussen schon längst gefressen, ausgespuckt und schliesslich
eingenommen hat, um sie sogleich wieder auszuscheissen. Ich konnte mich bislang
in der Hülle der Introvertiertheit vor den permanenten Einschlägen dieser
pervertierten Naturgewalten schützen, doch je weiter ich mich zu erkennen gebe,
desto stärker werden die Stürme um mich herum. Scheinbar sieht das derzeitige
Zwischenstadium an meinem Standort so aus, dass ich mich auch ohne Fame spöttischen
Blicken von Abschaum in roten Jacken ausliefern muss, die sich durch meine unangenehm
berührte bis aggressive Kenntnisnahme bestätigt fühlen und sich erst recht ins
Fäustchen lachen, bevor ihnen dieses abgesägt wird. Sobald ich mir dieses
Drecksvieh eingefangen habe, sperre ich es gemeinsam mit dem Blaujäckchen in
meinen geheimen Kerker ein, von dem die Polizei nichts wissen darf und gebe
ihnen gerade so viel zu fressen, damit sie noch halb am Leben bleiben. Gönnt
mir doch wenigstens diesen einen Spass, da es mir ja anscheinend nicht vergönnt
ist, meine psychopathische Seite als wahnsinniger Künstler auszuleben. Für ewig
als Gespött einer degenerierten, alkoholabhängigen Dorfgemeinschaft
abgestempelt, bleibt mir keine andere Möglichkeit übrig, diese leicht
gesteigerte Aufmerksamkeit für mich zu nutzen, wenn sich nicht gerade kosmische
Zufälle ergeben, die ich mir in meinen kindlichen Fantasien zusammengereimt
habe. Hierbei würde das Lästermaul eines Geschöpfs gestopft, das mich
einerseits als Ausrede benutzt, tagelang im Bett herumzuliegen und andererseits
jede Gelegenheit nutzt, um vermeintlich meinen Ruf zu schädigen. Solche
Dynamiken müssten doch irgendwie genutzt werden können, doch wie nur? Zumal
dieses Geschöpf ohnehin nicht fähig ist, weiter als ein paar Meter aus ihrem
Loch rauszukommen. Es könnte höchstens als eine Art lokaler Hofnarr vorgeführt werden,
bis selbst der Stammtisch genug von ihr hat. Und nur der treuste und
sorgfältigste Leser wird den Weg in diese Beiz voll von verlorenen Seelen
finden, um sich diese charakterlosen Klischeefiguren von Menschen anzuschauen,
um schliesslich leicht angeheitert, aber gelangweilt wieder weiterzuziehen, da
es hier nicht viel Spannendes zu sehen gibt. Aber nicht einmal dieser existiert
und am Horizont sehe ich nur ein Ablaufdatum - die Linie des Todes - das mir
anzeigt, wann mein letztes Stündchen geschlagen hat. Zwei Optionen bleiben mir
unter den hier geschaffenen Bedingungen. Entweder, ich schaffe einen ersten
Durchbruch in den nächsten Monaten, oder ich werde diese Belastung hier
bestenfalls unerkannt bis zum Schluss durchziehen, um dann schliesslich die
letzte Seite umzublättern, auf dem das Kartenhaus meiner Träume errichtet wurde,
um die Türe hinaus in die weite Welt der Erde für immer hinter mir zu
schliessen.
- RvH - 11.03.2021 - 01:13 - 0306 -