Ausgangspunkt am Ende


Von den Bahngeleisen in N-Town aus sieht man prächtige Landschaften, die sich um dieses kleine Örtchen erstrecken, angereichert mit Wäldern und Dörfern, mit Bauernhöfen und Burgen. Diese sind nun alle abgebrannt - bis auf die Wälder - weil es das Universum so wollte. Dies ist die einzige Erklärung, die sich mir noch bietet und ich ergreife sie aus Überlebensinstinkt. Hier an diesem Bahnhof bin ich einst entlanggewandelt - betrunken und verwirrt - denn wenige Stunden davor wurde ich im nirgendwo des Agglomerationsgürtels Zürich aus dem Taxi geworfen, da ich aus diesem hinauskotzte. Drecksgift. So setzte ich meine Heimreise zu Fuss fort und kam über das undefinierbare M-Town an dieser Haltestelle für Züge an. Damals wusste ich nicht, in welche Richtung ich zu gehen hätte, um Zuhause anzukommen. Nun weiss ich es. Zahlreiche Kundschaften unternahm ich in diese biedere Gegend. Ich kenne sie gut - zu gut - und dies Wissen nutze ich, um in der derzeitigen Apokalypse zu überleben. Mich verschlug es an diesen symbolträchtigen Ort meiner Vergangenheit, weil er einen guten Ausgangspunkt bietet, um sich vorerst diesen Gürtel von Agglo Züri zu eigen zu machen mitsamt all seinen übriggebliebenen Einwohnern. Viele sind es nicht mehr, soweit kann ich das schon einschätzen, denn ich sah Leichen, viele Leichen, zu viele Leiche. Nach der Flucht aus der Hölle, die ich in Angriff nahm, weil ich die ersten Menschen entdeckte, kam ich in einen Wahn der Wanderung hinein und trottete wie ein Zombie durch diese achso prächtigen Landschaften des untergehenden Planeten. Manchmal zog es mich hinunter in die abgebrannte Welt des Abschaums und ich traute mich wagemutig in die Trümmerhaufen hinein, die sie auch schon vorher waren. In fast jedem, das ich betrat, fand ich die erwähnten Leichen bruchstückhaft auf und kotzte sie an, sofern ich ihnen zu nah kam. Als wären sie Überträger einer schrecklichen Krankheit, kam ihr Geruch durch die Nase in meinen Geist hinein, um ihn zu traumatisieren. Als wäre ich süchtig danach, entschied ich mich immer öfters, mich ihnen entgegenzustellen und hart zu bleiben, denn vielleicht muss ich selbst mal solche toten Menschen schaffen. Doch erst muss ich sie sehen, um meine Sinne zu schärfen für die stetig lauernde Gefahr um uns herum. Hörst du mich, mein kleiner Wirt? Gonzo hat auch überlebt und kämpft sich bereits aus deiner Schockstarre hinaus, damit wir gemeinsam daran wachsen können. Wie sieht es denn mit der Schreiberei aus in der Apokalypse? Hast du schon mal daran gedacht? Nun kannst du ohne Saubermacher all die Wände deiner Gegend beschmieren und deine Botschaften verbreiten. Denk dir weise Worte aus und lerne sie gefälligst elegant niederzuschreiben. Du sollst möglichst viele mit unserem Wahnsinn erreichen, um überlebende Knechte für eine Schutzarmee zu gewinnen. Auch unser gemeinsamer Körper wird irgendwann alt und möchte ein entspanntes Leben ohne stetigen Kampf führen. Daher musst du den Überlebenskampf erst einmal in den Zürcher Unterlanden, aber bestenfalls Eurasienweit führen. Es soll eine friedliche Diktatur werden, die du dir für dein restliches Dasein gönnst. Eine von all dem Abschaum befreite Apokalypse, um diesen riesengrossen Trümmerhaufen voller mit der Zeit biologisch abbaubaren Leichenmüll gemeinsam mit uns beiden an der Spitze abzufeiern. Der einzig wahre postmoderne Griot, der durch die Schlagkraft seiner Worte die Macht ergreift, um die wenigen Würdeträgern der Freiheit in ebenjene zu entlassen. Vorher muss allerdings noch die Drecksarbeit vorangetrieben werden. Schmutzig wird es werden, mir graut es schon davor, diese Ereignisse als Abschreckung für die Raubtiere zu dokumentieren. Aber es muss geschehen. Erste Drohgebärden könnten ein dienliches Mittel sein, damit sich diese Plage nicht zu sicher fühlt in ihren Gewalttaten, die bestimmt bereits begonnen haben. Schon länger bist du keiner Menschenseele mehr begegnet, nur ihren Körpern. Du konntest dich bisweilen zurückhalten, doch sei gewarnt, solch Spässe ruinieren uns schlimmstenfalls den Ruf. Also halt dich zurück und übernimm lieber meine Perversionen der Provokation, der spielerischen und doch leicht zynischen Beeinflussung dieser apokalyptischen Zeitgeschichte, die wir als Hauptautoren innehalten. Wer kann uns jetzt noch das Wasser reichen? Nur noch Sklaven unserer Herrschaft. Der Gonzo-Griot muss sich langsam auf den Weg machen. Er hat noch einiges niederzuschreiben, ob es nun Gedichte oder Pamphlete sind, ob Mordfantasien oder solche von Sodomie ist egal. Hauptsache alles voll machen, was dich anlacht. Pack deine stets griffbereiten Stifte aus und begib dich auf die Suche nach weiteren. Nimm sie dir alle und sei kreativ dabei. Du schaffst das. Es lebe die Apokalypse!

- RvH - 28.05.2020 - 20:51 - 0181 -