Club 27


Willkommen. Der Abgrund wartet schon auf euch. Er wurde lange auf euch vorbereitet, gepflegt und perfektioniert. Nun steht er vor euch und stosst euch hinunter in den Erdkern, der euch an sich zieht und nicht mehr gehen lässt. All die Möglichkeiten der Erde sind nun Vergangenheit, wenn ihr sie überhaupt erleben konntet. Manche erreichten diese Bewegungsfreiheit zusammen mit ihrer Leidenschaft und gingen dennoch an ihr zugrunde. Sie wurden nicht älter als ich, doch hatten bis dahin schon alles gehabt. Sie wurden wahnsinnig, wenn sie es nicht schon vorher waren und jeder noch so kleine Schatten potenzierte sich in die Unendlichkeit, da nun auch diese ihre Bewegungsfreiheit erlangten. Sie mussten nicht mehr zurückgehalten werden, denn wer wollte ihnen schon entgegentreten? Sie wurden vor allen Menschen geschützt, nur nicht vor sich selbst. Und den Drogen. Denn diese waren von nun an nicht mehr hinderlich, um ihren Alltag zu überstehen. Der wurde dadurch sogar erst erträglich, da hinter der Fassade der Show das Business weiter gehen musste. Und in gewisser Weise waren sie die Chefs, auch wenn sie trotzdem rumkommandiert wurden. Aber der Wahnsinn wurde toleriert, teilweise sogar erwünscht, und so mussten sie nicht einmal mehr jegliche Besorgungen selbst tätigen. Alles wurde ihnen gereicht, gepflegt und nach ihnen wieder sauber gemacht. Konsequenzen sind für normale Menschen, die des Abends in riesige Hallen schlendern, um dort dem langsamen Zerfall zuzuschauen, der auf der Bühne unentdeckt bleibt. Erst wenn der Boulevard seine Scheinwerfer darauf richtet, sehen es die Normalen und sind schockiert, da es dann schon zu spät ist. Aber auch die sind mittlerweile recht abgestumpft, da früher oder später all ihre Sterne als niedere Menschen entblösst werden. Doch wehe einer der besseren Floskelschwinger des Friedens stellt sich als noch viel abartiger heraus als die Meisten und gar die Teufelsanbeter, dann werden aus den Normalen genau so abartige Zyniker, die deren Opfer zusätzlich noch denunzieren und bedrohen. Nur leider ist dieser erbärmliche Pädophile trotz ähnlichen Todesumständen kein Teil des Clubs der 27, sondern wurde gar fast doppelt so alt. Er stellt damit auch den traurigen Höhepunkt dieses Systems der Heldenverehrung dar, der hoffentlich nie mehr überschritten wird. In jedem Club gibt es auch all jene Mitglieder, die zwar die Mehrheit darstellen, aber auch in dieser Masse untergehen, weswegen deren Tod eher verschwiegen wird und in den Medien sowieso nicht stattfindet. Nicht nur wegen der fehlenden Relevanz, sondern auch wegen möglichen Nachahmungstätern. Bei den Grossen besteht diese Gefahr nicht wirklich, da sich nur wenige Normalos so viele Drogen überhaupt leisten könnten. Vor den Zug springen kann jeder. Sogar Kinder. Auch geschubst werden. Schubsen können sogar Leute, die im Wohlstand aufgewachsen und gar weiss sind. Und weiblich. Die Aktualität lässt mich abschweifen. Willkommen beim 27. Jubiläumseintrag dieses Weissen Ungetüms, dass nun live von den Suizidgedankens seines Erschaffers berichtet. Diese entstanden schon sehr früh in der Kindheit und liessen ihn auch im Jahre der 27 noch nicht komplett los. Doch wirklich gefährlich können sie wohl nicht mehr werden, denn der Kopf, dem sie innewohnen, steigt nun, getragen von seinem Körper, gestärkt aus seinem Abgrund hinaus und manche können ihn vielleicht schon sehen, wie er sich abmüht. Eilt ihm bloss nicht zu Hilfe, er schafft das schon allein. Schaut ihm doch lieber dabei zu, denn es könnte ein unterhaltsames Schauspiel werden. Seht ihr die wenigen Haare auf seinem Kopf? Die Restlichen wurden ihm in der Hölle für immer weggebrannt. Dieser Prozess begann bereits mit 15 und er scheint endgültig mit diesem Virus infiziert zu sein, weswegen auch die übriggebliebenen Haare nach und nach zurück in die Hölle fallen werden. Doch der Kopf will nun hier oben bleiben. Er macht sich keine Illusionen, dass es hier weniger schrecklich wäre. Denn er fiel nicht von alleine hinunter, er wurde wie alle anderen Menschen auch von den jeweiligen Umständen fallen gelassen. Und von denen wollte er seit jeher fliehen und wurde doch wieder und wieder hineingestossen, um dann gleich wieder ausgeschlossen zu werden. Denn er war ein komischer kleiner Junge, nun ein komischer kleiner Mann, der sein ganzes Leben lang seine Angst vor Menschen gegen aussen gezeigt hat, weil er nicht anders konnte. Solche Leute nennt man gemeinhin scheu. Sie wirken nicht gefährlich, aber es besteht offensichtlich dennoch bei vielen das Bedürfnis, auf eben solche Leute einzutreten. Obwohl sie von ihnen nichts zu befürchten hätten, aber genau das ist auch der Grund dafür. Diese Mobber sind die wahren Feiglinge. Und von solchen Feiglingen war ich stets umgeben und von solchen, die wegschauten. Das ist frustrierend und führt zu entsprechenden Reaktionen, was dann als das eigentliche Problem abgetan wurde. Der Frust soll doch bitte runtergeschluckt werden, was er auch stets wurde, bis ich jeweils geplatzt bin vor Wut. Dafür genügte teilweise der noch so kleine Tropfen einer Stichelei, was zu weiteren vermeintlichen Überreaktionen führte. Denn diese Tropfen sind wirklich da und prasseln auf mich ein, sehr zahlreich und in unterschiedlichen Grössen und Härten, die zusammen das Meer meines Lebens um mich bilden, in dem ich fast ersoffen wäre wie ein Flüchtling. Und auch von solchen habe ich schon früh gehört, wie sie an angrenzende Inseln angeschwommen kamen und oftmals gleich abgefangen wurden. Und ich hörte von Kriegen aus allen Zeiten bis in die Gegenwart hinein. Und ich hörte auch, dass selbst dieses süsse kleine Scheissland, in dem das Einfamilienhaus meiner Eltern steht, offensichtlich nicht viel besser sein kann. Denn sogar hier gibt es Obdachlose, die meist in den Städten wohnen. Das bedeutet aber nicht, dass die Dörfer besser mit diesem Thema umgehen, hier werden sie einfach nicht geduldet. Und dass mein Dorf nicht sauber sein kann, das habe ich früh gemerkt. Überforderte Eltern und Lehrer konnten mir nur bedingt helfen und sahen in diesem Wahnsinn dieses Planeten meine teilweise sehr leicht zu provozierende schlechte Laune als das grösste Problem ihrer Existenz an. Doch sahen sie nie in die Tiefe, wo ich meine Lebenslust fast verlor und sie mir doch wieder und wieder zurückgeholt habe. Nur habe ich das bestimmt erfunden, denn wie soll so ein unscheinbarer Mensch wie ich das denn bitte fast alleine geschafft haben? Mit Rap oder was?

- RvH - 31.07.2019 - 17:05 - 27 -