Heisst euch selbst willkommen in meiner
verzerrten Wahrnehmung dieses kleinen und unscheinbaren Dorfes. Es gibt hier
wenig zu sehen, ein klassisches Industriegebiet, das die Dorfkasse füllt und
eine Sportanlage unter der Führung von Marketingbanausen. Auch die Wahlplakate
hiesiger Hobbypolitiker lassen sich kaum ansehen, so unfotogen wie sie sich in die
Kamera zu schauen zwingen und so die jungen Leute vertreiben. Selbst die
lokalen Sternchen ziehen von hier weg. Nur der Unbekannteste von ihnen treibt sich
hier noch rum, da er zurzeit unfähig wäre, einen Umzug zu organisieren. Doch um
diese kleine Missgeburt geht es zur Abwechslung mal nicht, sondern um dieses
nach Kuhfladen stinkende Kaff, das ihn so missraten liess. DeaLSDorf, die Hölle
auf Erden, wie es der Titel bereits vermuten lässt. Es befindet sich nicht nur im
gewöhnlich klingenden Zürcher Unterland, es ist mehr ein Gefühl als ein Ort und
nur deshalb fühle ich mich hier wie zu Hause. Der Gemeinderat besteht nur aus
Rechten, was die Bevölkerung sehr gut beschreibt. Empathielos und nach unten
tretend. Das ist bestimmt der Grund, weswegen die Unterschicht noch nicht
vertrieben wurde, denn immerhin ist DeaLSDorf sozial gut durchmischt mit einem
durchschnittlichen Ausländeranteil, sogar pikant angereichert mit ein paar Flüchtlingen.
Es gibt hier sogar ein Asylweg. Und ein Gefängnis, neben dem ein Haus steht,
das, Überraschung, von Flüchtlingen bewohnt ist. Der Grund dafür ist natürlich nicht
reiner Zynismus, sondern das Gefängnis macht dieses Haus weniger attraktiv für
zum Beispiel den lokalen Immobilienhai oder potenzielle Bewohner. Doch es
vermittelt dennoch das Gefühl, dass die Bewohner dort sind, wo sie hingehörten,
laut den Ansichten degenerierter Mitpendlerinnen, die einst im Bus über den
verrosteten Grill spotteten, der vor dem Haus steht. Dort stehen auch gerne mal
ORS-Autos. Die gehören verbrannt. Oder zumindest die Reifen aufgeschlitzt. Doch
das wäre ein Skandal in der Dorfgemeinschaft und all die wenigen Linken im Dorf
würden pauschal beschuldigt. Aber meine lieben Freunde, ich lasse hiermit alle
Indizien auf mich zeigen, indem ich öffentlich Pläne entwerfe, welche nach Bedarf
umgesetzt werden dürfen. Nun lassen wir die Zukunft beiseite und fokussieren unseren Blick auf das bereits Geschehene. Ich weiss noch, wie damals
Gleichgesinnte in der Oberstufe die Fresse hielten, wenn die Rassisten ihre
Parolen rauskotzten wie betrunkene Vollidioten. Nur eine standhafte Missgeburt hielt
dagegen im Namen des Gesunden Menschenverstandes. Doch er blieb alleine,
niemand kam ihm zu Hilfe, denn vermutlich schämten sie sich für ihn. Sonderlich
beliebt war er nicht, eher ein gewöhnungsbedürftiger Sonderling, den man, wenn
man ihn etwas besser kennenlernte, ganz gut mögen konnte. Und bei diesen Diskussionen
wirkte er wohl etwas naiv, was nur bedingt stimmte. Denn er kannte den Abgrund
zu diesem Zeitpunkt schon sehr gut und hätte auch ein jugendliches Suizidopfer
werden können, wie wir damals über jemanden in unserem Alter von ausserhalb gehört
haben, wie von all den anderen auch aus unserem Dorf verschiedenen Alters. Er
hätte sogar den Rekord gegen unten brechen können. Doch er tat es nie, denn er
sah glücklicherweise nicht nur all die Fressen dieses beschissenen Kaffes,
sondern er wusste von einer grossen Welt da draussen voller unterschiedlichen Menschen,
die es hier höchstens vereinzelt gibt. Ein typisches Kaff von der Sorte also, welche
alle von Städtern berechtigterweise in einen Topf geworfen werden. Gegen Ende ging
es dann doch wieder um mich, da ich einfach mehr hergebe als all die mehreren
Tausend Personen, die hier leben. Gut gelegen in der Nähe von Zürich und dem
Flughafen, welche beide als Türen zur Welt fungieren. Nicht, dass Zürich sonderlich
fortschrittlich wäre, da gibt es definitiv bessere Beispiele, aber immerhin.
Schöne hügelige Umgebung, der letzte Ausläufer des Juras, eine Burg, angehende
Ghettos mit Kaufhäusern, alles gibt es hier in der Nähe. Also lasst mich doch
hier verenden.
- RvH - 24.07.2019 - 23:09 - 0023 -