Nichts

 
Was gibt es Neues nach dem restlichen Joint? Nicht viel. So viel Ehrlichkeit muss sein, auch wenn ich dadurch gleichzeitig meine Genialität unter Beweis stelle. Denn von Nichts kommt üblicherweise nicht viel, meist gar nichts, doch bei mir kommt immerhin noch ein bisschen. Tiefgreifende Gesellschaftsanalysen reihen sich an Wutausbrüche, der Jähzorn pflanzt sich mit den Machtfantasien fort und als Ergebnis erscheint vor unserem inneren Auge ein verkrüppelter Blumenstrauss, der noch schnell zusammengebunden wurde. Es ist eine knifflige Aufgabe, die ich mir da gestellt habe und ich stolpere nur so voller Überforderung durch die Frühphase dieses Meisterwerks. Bislang hält sich die Aufmerksamkeit in Grenzen. In meinen überlebensnotwendigen Träumereien stelle ich mir vor, wie sich schlagartig alles ändert, sobald ich nur schon die ersten Demos in die Wolken der Klänge geworfen habe, doch vermutlich entpuppt sich diese Vorstellung als einen Trugschluss, der nur so von Naivität zeugt. Zwar gelingt es mir mit zweierlei Methoden manche anzulocken, doch das Potenzial meiner unmittelbaren Umgebung wurde schon nahezu gänzlich aufgebraucht. Es müssen neue Ortschaften her und ein magisches Ticket der Bahngesellschaften, um meinen Namen zu verbreiten. Oder eine Steilvorlage in eine grossangelegte Bühne, die ich allerdings erst betreten kann, wenn genügend Beweismaterial da ist. Zumindest bei denen bin ich mir sicher, dass sie - sobald sie erst ausserhalb meines Kopfes existieren - nur gehört werden müssen, um mir den Zugang zu verschaffen. Die Ablauffrist für den ersten richtigen Schlag verstreicht seit Jahren jedes Mal von neuem und auch die nächste ist nicht weit entfernt. Immerhin muss ich bis dahin die Scheisse noch rausspucken und mich dann erst einmal überwinden, diesen Schritt zu gehen. Und ihn dann auch gehen und dabei nicht versagen. Ich verliere mich in meinen Wahnvorstellungen, die nur von meiner unbedeutenden Existenz ablenken wollen. Es wäre noch zu bitter für mich, mir einzugestehen, dass diese Möglichkeit nie für mich bestanden hat. Der einzige Grund, um am Leben zu bleiben, war eine Lüge. Die Leute ekeln sich vor mir, doch sie mögen mich nicht. Sie wollen mich nicht ertragen müssen und ignorieren mich stattdessen weg. Es sei denn, ich schreie sie an. Dann rufen sie die Polizei. Und wenn es erst soweit ist, dass ich mein nicht vorhandenes Talent in ein Mikrofon schreie und es ins Internet stelle, dann lachen mich alle aus, die es mitkriegen. Und wieder bin ich auf dem Pausenhof der Kindheit gefangen, nur dass er sich auf das gesamte Drecksland bis ins Erwachsenenalter ausgebreitet hat und alles noch viel krasser ist. Die einzige grössere Aufmerksamkeit, die ich bislang auf mich ziehen konnte, war das Gespött der gesamten Schule. So begann es, so wird es auch enden - mein beschissenes Leben. Oder ich ficke sie alle wie Fler. Doch dafür bin ich zu schwach und zu klein, zu dünn und zu feige, um mich jedem Gegner zu stellen, der sich vor mir aufbaut. Ich würde sofort losrennen, doch werde von gelassenen Fingern, die mich leicht greifen, zurückgehalten und auf den Boden fallen gelassen, wo mein Schädel aufplatzt und mich unkenntlich macht. Oder ich springe vor den nächstbesten Zug. Oder von irgendwo runter. Und überlebe knapp, doch verkrüppelt und schaffe nicht einmal mehr einen Suizid. Mein Leben ist von Unzulänglichkeiten geprägt. Es ist unbrauchbar für die Gesellschaft und höchstens als Zahlentipper geeignet. Buchstaben sind zu komplex für mich, deswegen wirkt hier auch alles so kompliziert und unzugänglich, weil es keinen Zugang gibt. Und wieder ist mir nichts gelungen ausser einem Worddokument, dass randvoll mit komischen Worten vollgestopft wurde, bis ein bisschen mehr als eine Seite gefüllt ist. So entstand ein Weisses Ungetüm und es werden noch drei folgen, die abermals die Spitze eines gesamten Monats repräsentieren. Es werden kleine Hip-Hopper sein, die vielleicht mal was anderes ausprobieren werden, um sich ein paar Jünger einzufangen. Aber dazu muss auch die Promo wieder vernünftig vorangetrieben werden, was nebst all den anderen Dreck, der erledigt werden muss, die ineffektivste Arbeit ist. Und der Drang ist kaum noch da. Es muss endlich die Essenz meiner Kunst her, um neue Motivation zu schöpfen. Sonst brauche ich auch noch das restliche Potenzial auf diesem Weg auf und mir bliebe nichts mehr. 
 
- RvH - 30.09.2020 - 14:57 - 0240 -