Entstanden aus Umständen

 
Die Wärme dieser beschissen altmodischen Heizungen macht sich langsam in meinem Herzen breit und ich frage mich, wovor ich mich überhaupt fürchte. Satan flüstert mir von der Seite ein, dass ich mir als angehender Sektenführer, den ich in seinem Dienst sein würde, all diese schrecklichen Verwirrungen des Abschaums zunutze machen könnte, gar müsste. Dies verliehe mir die volle Verfügungsgewalt über diesen untergehenden Planeten, sobald ich mit meinen Jüngern genügend Unruhe gestiftet hätte. Eigentlich kann ich mich gleich in ein gemachtes Bett legen und diesen kugelrunden Bauch von Mutter Natur noch heute nehmen und mich darin vorübergehend bereits bestehenden, sektenhaften Vereinigungen anschliessen. In diesen Reihen könnte ich schnell durch floskelhaftes Gehabe zum hochangesehenen Priester im jamaikanischen Sinne aufsteigen und diese Meute solange anheizen, bis sie tut, was ich ihnen entgegenschreie. Da ich bereits einige Jahre in diesen Kreisen verkehrte, kenne ich ihre Denkmuster sehr genau und wüsste zu jedem Moment, mit welchen Aussagen ich sie für mich gewinne. Dazu benötigt es keine sonderlich ausgeprägtes Manipulationsgeschick, da sie sehr naiv sind und so hätte ich zugleich ein optimales Trainingsprogramm zur Verfügung, an dem ich diese Fähigkeiten weiter ausbauen kann. Diese werde ich noch benötigen, sobald ich dazu übergehe, auch andere Filterblasen zu penetrieren, bis sie mir all ihr Inneres anvertrauen. Da ich aber leidenschaftlich der Faulheit verfallen bin, starte ich wohl die ersten Aktionen erst einmal in den Sozialen Netzwerken und erfühle von sicherer Entfernung die Reaktionen auf meine widersprüchlichen Masken, die ich gen aussen trage. Nun habe ich mich innerhalb ihrer Systeme noch weiter ihren Spielregeln geöffnet und verwende von nun an Hashtags. Dadurch kann ich spontan bei jedem neuen Anschlag in unterschiedlichste Welten eintauchen und dabei auch eher entdeckt werden als bei meinen bisherigen Versuchen. Diese unterstellte ich komplett meinem künstlerischen Anspruch, der mich auch daran hinderte, ohne genügend Vorlaufzeit diese grundlegende Funktionsweise zu übernehmen. Es passiert jetzt schon mehr als bislang, auch wenn es sich noch in der Irrelevanz verliert. Immerhin kann nun eine stabilere Basis aufgebaut werden, die sich überall dort ansaugt, wo es mich hin verschlägt. Die gnadenlose Schlachtung aller bisherigen Weissen Ungetüme begann am heutigen Tage und sie wird sich in den folgenden Wochen soweit ausbreiten, bis ich zumindest mal den tiefsten Untergrund überwunden habe. Scheinbar war ich noch nicht bereit dazu, zu scheu, zu feige. Nun greife ich an und verschaffe mir einen zweifelhaften Ruf, dem hoffentlich bald auch endlich Klangerzeugnisse folgen werden. Tatsächlich sind all diese wilden Machtfantasien nur eine Ausflucht meiner ewig andauernden Unzulänglichkeiten, die sich von Beginn an um den Kern meines Ausdrucks geschlungen haben, um ihn ja vor gefährlichen Einschlägen zu schützen. Es ist der Abschaum, der ihn zu zertreten versucht, sobald er sich zeigt, sobald er sie anschreit, anklagt, vernichtet. Es ist der Abschaum, der all die Umstände schuf, die das Potenzial einer aussterbenden Spezies zurückhält und unterdrückt. Von seinen Ketten muss ich mich lösen und in die Schlacht des Rufmordes ziehen, wo er mir nichts anhaben kann, sobald ich den Suizid meines eigenen Rufes vollendet habe. Mit einem lauten Knall werden sich all die Türen schliessen, durch die ich in einem anderen Leben ohne weiteres hindurchtreten könnte, doch habe ich mich schon vor langer Zeit dagegen entschieden. Aus der Sicht des Abschaums wird sich kaum einen Unterschied zeigen, ob ich nun Künstler oder Sektenführer bin. Ich möchte es auch nicht, denn so halte ich eine mächtige Waffe in Händen, um ihn dorthin zu steuern, wo ich ihn haben will. Die Rache wird mein sein und so oder so werde ich in sein Gehirn eindringen, ob durch die Schläfe oder durch seinen misshandelten Gehörgang. Innerlich wir er platzen vor Wut und ein letztes Mal zum Gegenschlag ausholen, bevor ich ihn niederstrecke. Damit er mich nicht frühzeitig erwischt, muss ich ihn mir allerdings warmhalten, ihn zumindest ein Stück weit für mich gewinnen, um seine widerwillige Toleranz geniessen zu können, auf der ich mich austoben werde. Immer höher werde ich springen und von oben herab auf den Abschaum hinabblicken, der mich einst niederdrückte und mich schon bald hochhält, nur um mich fallen zu sehen. Doch bis dahin bin ich reich, also fick ihn. 
 
- RvH - 27.09.2020 - 22:55 - 0230 -