Er ist ein gebrandmarktes Kind - der
Hurensohn - und selbst noch in der Erwachsenenwelt ein Objekt des Gespötts,
sofern er sich und seinen Ursprung zeigt. Es wurden ganze Lieder über ihn
gesungen - eher gerappt - und auch wenn es nicht explizit um ihn geht, wird er
dennoch oft und sehr gerne erwähnt, um ihn niederzudrücken, damit die Bestrafung
optimal seine Kehle hinunterfliessen kann. Bis auf dieses genugtuende Gefühl
ist er ansonsten zu nichts zu gebrauchen. Er steht nur ganze Tage im Wege herum
und belästigt damit all diejenigen, die aus Liebe entstanden, die ein
glückliches Leben haben könnten, wenn er nicht wäre und mit seiner blossen Existenz
die Grenzen der Gesellschaft aufzeigen würde. Wäre er doch nur diese
literarische Figur, die aus reinem Spass missbraucht wird und nicht die
Symbolfigur des Abgrundes des Kapitalismus. Seine Mutter - die Hure - sie hätte
ihn abtreiben sollen. Sie kann anhand seiner Standardfresse nicht einmal erahnen,
wer ihrer zahlreichen Kunden denn sein Vater sein möge, noch kann sie überhaupt
noch mitzählen, wie viele Kondome bereits geplatzt sind. Irgendwann fiel ihr
auf, dass diese Scheissdinger aus dem Automaten nicht die beste Wahl sein
können, denn immer öfters mischte sich ihr Urin mit diesem Weiss, dass nicht
für Kinder geschaffen ist und aus dem doch diese Drecksviecher entstehen. Als sie
es realisierte, war es schon zu spät, ihr Bauch dick und ihre letzten Tage
dahin wie all das Ersparte, was sie doch aus diesem Sumpf befreien sollte. Gott
sei Dank, dass der Markt solch unkonventionelle Ausbrüche meist unterbinden
kann mit Schicksalsschlägen aller Art, die den Hals letztendlich immer mit
einer Zahlenkette brechen, sobald sie den Nullpunkt unterschreitet. Dann legt
sie los und peitscht den gefallenen Konsumenten in den Horror des
Überlebenskampfes, bei dem man keine Chance hat, sobald die exponentielle
Abwärtsspirale eingesetzt hat. Doch die Hure unserer Geschichte konnte sich
stets auf dem Existenzminimum entlangbumsen und es geschah, einer dieser
verachtenswerten Söhne überlebte. Die meisten werden vom Markt gefressen oder
verschwinden unter ungeklärten Umständen. Die wenigen, die überleben, halten
sich glücklicherweise bedeckt und führen ein unauffälliges Leben nahe an der
Armutsgrenze, doch dieser eine, von dem dies Ungetüm erzählen möchte, der ist aufmüpfig.
Er hat nicht verstanden, dass ihm die Gesellschaft schon längst seinen Zweck
auferlegt hat, den er zu erfüllen hat, wenn er nicht in Grund und Boden beschimpft
werden möchte. Anscheinend macht ihm dies Gefluche nicht viel aus, eher
amüsiert es ihn fast schon, als seien diese abscheulichen Worte und ihre gewachsenen
Bedeutungsebenen bloss eine Illusion des Abschaums um ihn herum, der ihn nicht
als gleichwertiges Mitglied des Planeten Erde ansieht. Er dagegen ist davon
überzeugt, dass genau diese Sichtweise die kranke ist und nicht die Seinige,
die er jedem vorpredigt, der sich nicht wehren kann. Die Mehrheit - also die
Demokratie - hat sich allerdings dagegen entschieden, ihm und anderen Aussässigen
ein würdevolles Dasein zu ermöglichen und so ist es anerkanntes Recht, ihn mit
allen erdenklichen Mitteln zu zerstören, sollte er so weiter machen. Denn wer
weiss, die aktuellen Verwirrungen des Zeitgeschehens lassen stellenweise Ideen
wieder aufleben, die doch längst vergangen sind und vielleicht auch die Idee
des Hurensohns, der seinen Namen lauthals schreit, bis es niemanden mehr
schocken kann. Dabei ist doch genau die Politische Korrektheit in Kunst &
Kultur eine perfekt getarnte Unterdrückungsmassnahme, um Aufstände linker Natur
zu verhindern, indem sie sich in intellektuelles Gelaber über die Metaebene der
Metaebene verlieren und so kaum noch zum Einfachen Menschen sprechen können,
währenddessen sich dieser in seiner eingebildeten Freiheit angegriffen fühlt,
weil er sich von diesen Fotzen nicht vorschreiben lassen will, wie er zu
sprechen hätte. Diese vorlauten Gestalten sind im Alltag die beste Waffe für
die Einnahme eines jeden Gehirnes, das mit simpelsten und vor allem harten
Parolen bombardiert wird, bis der kollektive Wahn den erwünschten Punkt
erreicht hat, an dem die Befehlskette optimal funktioniert. Was geschähe aber,
wenn sich eine einsame Missgeburt - ein Hurensohn - zur Aufgabe gemacht hätte,
den Abschaum vor den Schrecken der Schimpfworte zu retten, indem er sie alle -
nahezu alle, befahl der Pionier seiner Kunst - bis zum Erbrechen benutzt, ironisiert,
veralbert und diejenigen ins Lächerliche zieht, die keine Distanz aufbauen,
während sie diese artikulieren. Und dennoch könnte es geschehen, dass genau
diese, die er verspottet, sich dennoch halbwegs angesprochen fühlen, auch wenn
sie andere Ansichten kaum teilen. Wenn dieser gewisse Sympathiepunkt gegeben
ist, wird dieser Hurensohn nur bedingt mit dem Klischee des Gutmenschen
überdeckt - auch wenn er diesem letztendlich doch mehr ähnelt als den Schäfchen
- und wird dadurch als halbwegs ernstzunehmendes Individuum angenommen. Auch
dringen manche humorvoll dargelegten Argumentationsketten eher in deren Köpfe
und hinterlassen vielleicht sogar einen kleinen Samen, aus dem irgendwann ein
prächtiger Hurensohn gedeiht. So nennen wir doch den Tag der Arbeit von nun an
nicht mehr nach dieser modernen Art der Sklaverei, sondern nennen wir ihn Tag
des Hurensohns, denn um dessen Befreiung geht es doch, um die Befreiung aller,
die Tag für Tag von all den Zahlenketten gefickt werden, bis sie kurz vor der
Pensionierung verrecken. Das Leben könnte so schön sein - nicht nur in der
Fantasie. Also lasst doch die Scheisse und macht mal wieder eine Revolution,
ihr Opfer. Danke.
- RvH - 30.07.2020 - 21:12 - 0212 -