Nach der Zombie-Pandemie kam die
Apokalypse und hier steh ich nun vor dem hofeigenen Flughafen der Zürcher
Unterlanden. Kein weiter Weg war es bis hierhin, nur wenige eingestürzte Dörfer
musste ich hinter mich bringen, um dies einstige Tor zur Welt zu erreichen.
Manch ein Gebäude hinter den Zäunen hat es zwar ebenfalls erwischt, doch die
meiste Fläche besteht aus Landebahnen und Wiesen, sicher abgesperrt und
begehbar. So klettere ich hinein in mein neues Heim, welches hoffentlich
befreit ist von all dem Abschaum. Wenn dies der Fall ist, kann ich hier in
aller Ruhe eine Festung erbauen und meine Machtergreifung planen. Dies Tor
entwickelt sich weiter und wird ein Schloss, eine Burg, die Verlängerung meiner
Minderwertigkeitskomplexe. Direkt vor meinen Augen erstreckt sich plötzlich die
Spitze eines Flugzeugs in die Höh, so als wäre sie vorhin noch versteckt
gewesen. Doch dies war es nicht, solch ein Flugobjekt lässt sich bekannterweise
nicht so leicht komprimieren und in einen Umhang wickeln. Die erste Mutprobe
steht vor der Tür und öffnet sie langsam in der Hoffnung, dahinter niemanden zu
finden. Ich kann lebende Menschen riechen. Das muss nicht so bleiben. Jetzt
muss es schnell gehen. Ich scanne das Innere nach allem ab, was mir als Waffe
dienlich sein kann und ebenfalls nach dem Stück Abschaum, den ich gedenke,
damit niederzuschlagen. Den Abschaum erkenne ich als erstes, wie er offenbar
allein ein paar Meter entfernt erst langsam realisiert, was gerade geschieht,
wie ich sein Sturmgewehr ergreife und losballere. Nun hat auch mich die Seuche
der Egoshooter eingenommen und aus mir einen Mörder gemacht. Seit Tagen schon bereite
ich mich mental auf diese Situation der Notschlachtung vor, was offensichtlich
effektiv war, denn dies Stück Fleisch ist tot und ich bin kaum geschockt,
höchstens leicht angeregt. Ich bin angekommen. Die Apokalypse ist mein neues Zuhause
und ich weiss auch schon, was jetzt kommt: Das Looten. Wen haben wir denn da
gerade durchlöchert wie in einem Actionfilm, wobei in der Realität die Szene
viel schneller vorbeizugehen schien als gewohnt. Auch scheint sich das Blut vor
allem bei der Leiche gesammelt zu haben und nicht im ganzen Raum dieses einen
Flugzeugs, in dem ich das erste Mal kam. Es schoss und floss nur so aus mir
heraus und bohrte zählige Löcher in dies Stück Scheisse, dessen Gesicht ich
leider nicht traf. Es kommt mir bekannt vor. Es löst nur negative Gefühle in
mir aus, doch genau diese spüren eine Genugtuung in sich aufkommen. Es muss jemand
sein, der es verdient hat - nein - die es verdient hat. Woher kenne ich dieses
abscheuliche Gesicht voller Wut & Hass & Frust? UMF! Es ist diese gescheiterte
Existenz von einer Nachbarin, die mich in einem früheren Leben fast in den
Wahnsinn getrieben hat. Die Genugtuung ist gerechtfertigt! Der leicht angeregten
Stimmung kann nun eine Euphorie folgen, die ich seit Anbeginn dieser Tage nicht
mehr gefühlt habe. Mein erster Mord hat jemanden getroffen, die es verdient hat.
Ich kann mich also auf eine positive Prägung in diesen Belangen freuen, die
mich solange überleben lässt, wie ich sie weiter pflege. Wo ist der Nächste?
Ist vielleicht auch dieser Hurensohn aus demselben Loche in der Nähe? Den würde
ich erst so richtig quälen wollen, bevor ich ihm sein mickriges Licht
ausknipse. Was stelle ich mit diesem toten Stück an? Drinnen lassen oder
rauswerfen? Rauswerfen würde mehr Spass machen. Doch ist es auch klüger? Dieser
Hurensohn könnte es schon von weitem sehen und sich auf einen Kampf
vorbereiten. Also bleibt das Stück erst einmal hier, abgedeckt mit all dem
Überfluss, den sie sich auch jetzt noch gönnt, dieses zurückgebliebene
UMF-Teil! Ruhig Blut. Einfach ein paar Mal dagegentreten und all den
angestauten Frust an ihr rauslassen. Fester, härter, fick sie! Nein, Stopp!
Davor hat mich Gonzo gewarnt. Keine Leichen ficken. Einfach zudecken und liegen
lassen. Noch ein Mal treten und dann das Sturmgewehr nehmen und rausgehen.
Durchatmen. Gut. Wie kann ich schauen, ob die Waffe noch geladen ist? Egal, vertrau
der Schweizer Armee, dies Drecksland kennt sich mit der Produktion von Waffen
aus und lässt die Soldaten doch nicht unnötig sterben, nur weil sie ständig
nachladen müssen. Nein, ich kann diesen Kriegsbanausen nicht vertrauen, ich muss
mich bilden in diesen Bereichen. Nicht weit entfernt von hier gibt es ein
Militärgelände für Rekruten. Dort müsste ich hin dafür. Ist bestimmt schon
besetzt. Jetzt muss ich aber erst mein Reich von all dem Abschaum befreien, der
sich hier noch befinden könnte und gnadenlos abschlachten. Die Leichen sollen die
ersten Wachen sein, die Eindringlinge sogleich wieder verjagen nur mit ihrem
Geruch. So laufe ich gestärkt in den Sonnenuntergang hinein in die Ländereien
meiner Festung und begebe mich auf die Jagd, um ein wenig zu trainieren und
meine Schiesstechnik zu verfeinern. Es wird ein glorreicher Start sein, den ich
unterwegs an allen übriggebliebenen Wänden von Gebäuden und Flugzeugen
dokumentieren werde, um auch diejenigen zu verschrecken, denen der Geruch des
Todes keine Angst mehr einjagen kann, aber dafür die Gedankengänge eines
lyrisch hochbegabten Psychopathen. Für meinesgleichen muss ich mir aber noch
was einfallen lassen. Und für die Schweine, die sich mir anschliessen wollen. Ich
werde berichten.
- RvH - 20.07.2020 - 19:13 - 0200 -