Aufbau eines Machtgerüstes


Ich hab ihn erwischt. Dieser abartige Abschaum war gerade damit beschäftigt, seine mittlerweile geplatzte Blase zu entleeren, als ich ihn entdeckte. Noch nie war es so schwierig gewesen, einen Lachanfall zu unterdrücken, denn das hätte dazu geführt, dass er hätte reagieren können. So geübt bin ich in diesen Mordspielen der Apokalypse noch nicht, weswegen ich den Schwierigkeitsgrad nicht unnötig erhöhen wollte. Also schlich ich mich langsam von hinten an und passte bei jedem Schritt die Einschätzung der Treffsicherheit an, bis die Gewissheit einsetzte, nun stehen zu bleiben, sein eigen Sturmgewehr der Neutralität zu erheben und auf ihn zu richten, abzudrücken, schiessen - töten. Danach übernahm das Adrenalin die Kontrolle über meinen Körper und schickte ihn seitwärts einen Meter entfernt zu seiner Nummer Zwei und schoss zur Sicherheit noch den Kopf ein. Der dritte Schuss fiel aus purem Vergnügen und prallte mitten in seine Lenden wie ein Meteorit und hinterliess einen Krater, der seiner toten Seele glich. Nun, da ich ihn so daliegen sehe und diesen Anblick geniesse wie kaum was zuvor, fällt mir ein, dass ich ihn eigentlich quälen wollte, ihn Schreien hören wollte, seine Augen fixieren, wenn das Licht erlischt. Zu spät. Es ist besser so. Nicht übermütig werden, unser Imperium soll ruhigen Blutes entstehen und nicht von Glück und Zufall abhängen. Überlegen wir uns lieber mal, wie wir die beiden Leichen dazu benutzen können, unser Revier zu markieren. Der allseits bekannte Eingang dieses gerade eingenommenen Flughafens erhält erst einmal die Erste, die wir wie vor einer Ewigkeit noch in diesem Flugzeug erledigt haben. Die hat lange Haare, die wir abschneiden und an die Pforten nach draussen hängen können. Dies ist deine erste Mission, die ich dir auferlege, mein kleiner Wirt, so geh nun los und erzähle mir dabei, wie du gedenkst, diese zu erfüllen. Erst einmal zurück zum ersten Tatort an diesem ersten Tage meiner glorreichen Machtergreifung, die ich an den Wänden dieses Tores zur Welt niederschreiben werde. Im Flugzeug angekommen, sehe ich sogleich ein Werkzeug, mit dem ich die Haare leicht abbekomme. Ein unglaublich scharfes Messer, das mit nur einer Berührung meinen Finger der Wahl aufschnitt. Das Blut tropft auf dieses alternde Gesicht dieser gescheiterten Existenz. Sie war zu schwach für die neuen Bedingungen, unter denen die Welt des Untergangs funktioniert. Ich schleife sie an ihrem Schopf die Gänge durch ihren Überfluss entlang und werfe sie über die Brüstung der Treppe, die am Eingang steht und steige selbst tiefenentspannt Stufe um Stufe hinunter und uriniere im Gedenken an ihren einstigen Mitbewohner auf ihren gesamten Körper, um danach die Arbeit fortzuführen. Mit den feuchten Haaren in den Händen schlendere ich los und sehe am Horizont auch schon das halbeingestürzte Hauptgebäude, dessen Anblick sich just in dem Moment in mein Gedächtnis brennt, sich dort meinen Machtansprüchen beugt und dessen Äusseres daran anpasst. Vor meinem inneren Auge verwandelt es sich in eine auf Hochglanz polierte Hexenvilla, die dessen Ästhetik furchteinflössend umsetzt und mit zahlreichen Details übersät ist, die bei näheren Betrachten das Grauen in jedem Überlebenden auslöst, der zufälligerweise hier vorbeikommt bei seinen Wanderungen durch die Apokalypse. Durch ein paar Trümmer hindurch gelange ich recht schnell zu der Eingangshalle, die einigermassen aufgeräumt ist. Die letzten Wochen vor dem Einschlag dieser mysteriösen Feuerkugeln, die die meisten Menschen mit in den Tod riss, war der Flugverkehr aus damals aktuellem Anlass schon auf ein Minimum reduziert worden nach Einschlag der Zweiten Welle, wie sie in ungeahntem Ausmasse einschlug und dem Abschaum eigentlich schon den ersten Gnadenstoss verpasst hat. Glücklicherweise, den wäre dies nicht so gekommen, würden hier deutlich mehr Leichen liegen, vielleicht gar den Durchgang versperren, sofern man sich zu schade ist, über sie hinwegzusteigen. Ich tue es trotzdem, einfach um mich abzuhärten. Auf manchen bleibe ich stehen und greife sie an ihrem Schopfe, um den Eindruck der Gefahr bei Betreten meiner Heiligen Hallen zu verstärken. Hippieeske Vorhänge zieren nach getaner Arbeit die Eingänge, alle möglichen Haarfarben sind vertreten und bilden an manchen Stellen mehr zufällig fast schon ein schönes Muster, wenn die Vorstellung nicht so fürchterlich wäre, dass jemand sich tatsächlich die Zeit genommen und den Aufwand betrieben hat, so viel Haar aufzuhängen, abzuschneiden - von Leichen. Willkommen in der Schönen Neuen Welt der Apokalypse, in der das Spiel nun endgültig irre geworden ist und die Irrsten unter ihnen nicht nur zu Profis werden, sondern zu Herrschern. Heil Gonzo!

- RvH - 30.07.2020 - 17:17 - 0210 -