Natürlich der nächste, permanente Ohrenfick.
Mein erstes Opfer mit seinem Besen in Händen, mit dem es nichts weiter tut, als
nichts notwendiges, was auch weniger unmittelbar nach dem stundenlangen
irgendwas Maschinendings geschah. Fucking Gehämmere zwischendurch, während ich
die Umwelt um mich herum nur zwischen den Songs wahrnehme. Gezielter
Psychoterror, das mein System nun endgültig ausgeschalten hat. Weswegen auf das
Geschrei meinerseits verzichten? Der Druck in mir drin wird so nicht weniger,
also einfach drauflosschreien und falls das heute mit dem Entzug klappt, wird
es von Tag zu Tag lauter, voluminöser und flexibler, je nach dem, was für eine
Facette meines Hasses ich gerade zum Ausdruck bringen will. Es bleibt mir
nichts anderes übrig, denn der Stress, um täglich auf Kundschaften zu gehen,
frisst noch den letzten Teil in mir auf, der überlebt hat. Der Rest ist in den
letzten Jahren der Depression und dem Frust zum Opfer gefallen. Hört dieser
Wahnsinn endlich auf? Wohl kaum, denn er macht mich aus. Für was habe ich ein
beschissenes Pseudokellerstudio, wenn ich es nicht nutze, es kaum hinbekomme,
es halbwegs einzurichten oder nur schon hineinzugehen, um ein wenig
rumzuschreien? Stimmt, die beschissene Stereoanlage ist hier oben und eine
weitere kann ich mir kaum leisten, wenn ich nicht frühzeitig wieder meine
Erzeuger tyrannisieren will, um an ein wenig Geld zu kommen. 2000 im Monat
fressen mich ebenfalls auf, obwohl diese Scheisszahl mir das Fressen überhaupt
ermöglichen sollte. Durch die Musik hindurch höre ich gerade das nächste
Maschinengeräusch, dass mich verzweifeln lässt. Also nochmals lauter schalten, nachdem
ich ganz vorsichtig und langsam runterging mit der Lautstärke, aber Ruhephasen
in diesem Drecksort sind noch kürzer angesetzt als Pausen zwischen Unterrichtsstunden.
Hochgradig lächerlich. Wenn es wenigstens so wäre, dass unzählige Geräusche
aufeinanderprallen und so ein Orchester des Lärms veranstalten würden, damit
ich nicht zwanghaft einem einzelnen Geräusch lauschen müsste, dann ginge es ja
noch und könnte leichter ignoriert werden. Aber so, wie es ist, führt es mich
nur direkt in den puren Wahnsinn. Seit bald 3 Jahrzehnten kämpfe ich gegen
diesen Wahnsinn an, doch es bringt nichts. Er ist stärker als ich. Er verfolgt
mich überallhin. Das erste Mal bin ich etwas weiter entfernt von der Hölle, in
der ich aufwuchs und nur erkenne ich, dass mein Geburtsort noch vergleichsweise
harmlos ist. Hier in diesem Kaff geht es richtig ab. Ein riesiges Industriegebiet,
aber der Schreiner hat sich gedacht: Fuck off, gehen wir einfach mitten in ein
Wohngebiet. Dann können wir diese Hurensöhne so lange ab 7:00 Uhr tyrannisieren,
bis einer durchdreht. Das wäre dann wohl ich, es sei denn, vorher geschah schon
mal ähnliches. Vermutlich ja nicht, denn ansonsten hätten sie ja daraus gelernt.
Oder es ist alles Teil ihres perfiden Spiels und ich bin nur eines von
zahlreichen Opfern. Den letzten vor mir haben sie schon in den Tod getrieben.
Keiner konnte genau sagen, woran er eigentlich starb. Nun weiss ich es. An
ihnen. Er war nur gelegentlich da, aber trotzdem konnten sie ihn in den Tod
treiben. Mit mir haben sie allerdings ihren Endboss bekommen. Ich werde sie in
den Tod treiben. In die Paranoia, in den Suizid. So wird es zumindest aussehen,
wenn ich mit ihnen fertig bin. Sie sollen sich alle ficken. Ich war schon lange
nicht mehr am Briefkasten. Haben meine künftigen Opfer etwa bereits die nächste
Schikane vorangetrieben, ohne dass ich es mitbekommen habe? Lächerliches Pack.
Es braucht nur konstantes zurückschlagen und dies tägliche Morgenritual, dass
ich erst zweimal durchgezogen habe. Ab morgen greifen wir weniger heftig an,
sondern langsam und mit stetiger Steigerung wie bei einem Fisch im warmen
Wasser. Ich treibe sie langsam in den Wahnsinn. Dort warte ich bereits
tiefenentspannt auf sie, während sie verzweifelt versuchen, etwas an den
Bedingungen um uns herum zu ändern, doch sie stossen auf dieselbe Ignoranz, die
sie stetig ausstrahlen, sobald es kompliziert wird. Sie sollen nur kommen. Ich
stehe vor ihnen mit ausgestrecktem Messer, einer in Bälde rauchbefreiten
Stimme, die sie niederschreit wie bei einem Mord, ohne dass ich sie dabei auch
nur ein einziges Mal berühre. Ich tanze den Underwood mit ihnen, lasse sie beim
nächstgelegenen Bahnhof antanzen, um sie ausserhalb des Blickfeldes der Kameras
vor den anrasenden Zug zu werfen, in dem ich auch schon meine nächsten Opfer
sehe. Die HK-Turbos. Doch diese Schlachtung muss sich wohl noch gedulden, bis
ich die erste Portion des Tages aufgefressen habe. Man sieht sich in der Küche,
doch vorher hole ich mir diesen Hämmerer und schlage ihn mit so vielen Schlägen
den Kopf ein, wie er sie tagtäglich ablässt. Für die Suppe vor dem Hauptgericht
Bünzli.
- RvH - 09.09.2021 - 11:06 - 0408 -