Die Nüchternwerdung

 
So mögen Sie nun live Zeuge werden, wie ein drogenabhängiger Gonzo nüchtern wird und stirbt, da ihm damit sein Grundnahrungsmittel genommen werden. Aber vielleicht hat diese schäbige kleine Missgeburt bereits zu viel Macht über mich, als dass ich noch weiter mit ihm spielen sollte. Sein Ding mit dem Rausgehen und wahnsinnigen Scheiss anstellen, um schliesslich darüber schreiben zu können, ist ohnehin nicht meins und wahnsinniger Scheiss werde ich noch genug erleben, wenn die Mobbingdynamiken um mich herum ein neues Level erreicht haben. Die Selbstverteidigungstaktik ‘’Metal bei offenem Fenster’’ ist in diesem verfluchten, von Restaurants mit germanischen Schriftzügen nur so überschwemmten Kaff überlebensnotwendig, da Hammergeräusche zu perfid sind, um in einem Wohngebiet überhaupt erlaubt sein zu dürfen. Beste Voraussetzungen aber, um auf die geringste Rücksichtnahme zu verzichten. Eine psychopathische Version von Gonzo würde mir bestimmt einreden, dass ich über Nacht ein Holzstück angebrannt vor die zwar grosse, aber aus Holz bestehende Schreinerhütte legen sollte, um die Machtverhältnisse geradezurücken. Damit müsste ich - sollte ich tatsächlich diese rechtliche Grenze hin zur konkreten Androhung von Vandalismus und fahrlässiger Tötung überschreiten - allerdings noch eine Weile warten, da der Verdacht schnell auf den neuen Nachbar fallen würde, zumal er von stalkenden Feiglingen bereits beim Vorbeilaufen an seinem meinem Hause der berühmte ‘’Was söll das?!’’ genannt wird. Lieber wäre mir der Gestörteste Mann der Schweiz. Dies könnte ihr dann auch, ohne euch zu schämen, dreimal wiederholen, als würde ich sogleich vor euren Augen auftauchen wie das Gespenst Notorious B.I.G. - siehe Southpark. Nur würde ich sie nicht mit einer geladenen Waffe bedrohen, sondern mit demjenigen harten Gegenstand, den ich im Wahn als erstes in die Hände bekomme. Und mit rausgeschrien, halbzusammenhängenden Worten. Oh, meine missratene Kindheit überfällt mein Erinnerungsvermögen und nimmt schon wieder die Verhaltensmuster meiner müden Seele ein, auf dass sie sich schliesslich doch noch für den Suizid entscheidet. Um aus dem Fenster zu springen, ist dies Häuschen wohl nicht hoch genug, so möge sich für eine andere Möglichkeit entschieden werden, die einen grösseren Schock hinterlässt. Aufhängen. Direkt am obersten Fenster, so dass die mir Gegenüber und deren Kinder ein Trauma vom Feinsten vererbt bekommen. Vor allem aber meine Erzeuger sollen daran zu knabbern haben, denn immerhin haben sie mir all die Grundlagen für solch ein fulminantes Ende übertragen. So viel zur Gefühlslage der aktuellen Nüchternwerdung. Gestern hätte ich es fast geschafft. Erst begann ich bereits ein Tag davor damit, den restlichen Tabak in sehr langen Zigarettenjoints zu vernichten, schloss am nächsten Morgen nahtlos an dies selbstzerstörerisches Experiment an, bis ich nicht mehr konnte und ich mich dazu entschloss, den Rest wegzuwerfen - in einem Abfalleimer am Bahnhof, bei dem es ein leichtes ist, diesen sauber eingepackten Dreck in einer Dose wieder hinauszunehmen. So geschah es dann auch, als ich euphorisiert losging und ein Spaziergang wie in nüchterneren Zeiten in Angriff nahm. Bei den ersten 5 Jointstümmel, die mir auf meinem Wege entgegenkamen, konnte ich ohne grössere Probleme noch Nein sagen, aber irgendwann brach mein Lügengebäude in sich zusammen und ich stresste denselben Weg zurück, um an die Zutaten für den hoffentlich letzten Flash zu kommen. Gen Abend geschah dies schliesslich und Gonzo versuchte mir einzureden, die einzige Möglichkeit, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wäre, mir meine letzte Energie zu rauben, indem ich die Nacht durchmachte und ihn sich um die Schreibarbeit kümmern zu lassen. Seine Argumentation liess keine Lücken frei, aber nach dem ersten Text schlug die Müdigkeit so sehr ein, dass ich dann doch noch schlafen ging. Und hier sitz ich nun, einen ersten Ausraster hinter mir und frustriert über die unmenschlichen Bedingungen um mich herum, die es verunmöglichen, in Ruhe und vor allem ohne sich stetig wiederholenden, nervenraubenden Geräusche den beschissenen Entzug voranzubringen. Oh, du mein hochwohlgeborener und geliebter Metal, so gebe mir die Kraft und das richtige Ventil, um all diesen Frust aus mir herauszuschreien, denn wer will mich noch aus meinem bereits jetzt verhassten Zuhause werfen? Niemand. Erste Pläne, wie ich mit dem aufkommenden Sturm von bünzlihafter Schikane umgehe, wurden bereits skizziert und nun geben wir bei diesen Spielen Vollgas, auf dass daraus auch ein paar unterhaltsame Geschichten entstehen, bevor die grosse Politik von Gonzo in Angriff genommen wird. Wir sehen uns am Tatort. 
 
- RvH - 13.09.2021 - 11:37 - 0411 -