Denn ihr steht stets im Weg und haltet mich mit
eurem schwächelnden Körper davon ab, euch offensiv anzurempeln. Bestenfalls streife
ich eure Schulter, was auch gleich ein empörtes Hey verursacht, aber kein Wille,
auch nur einen Hauch Verständnis für dies Manöver aufzubringen. Schliesslich
wart ihr ja gerade entweder damit beschäftigt, verblödet in euer Smartphone zu
starren, oder wart so sehr in Gedanken versunken, dass sich die Welt um euch
scheinbar einen leeren Weg nur für euch bahnt. Kolonnen von Ausgewichenen kommen
gar nicht erst in euer Bewusstsein und irgendwie seid ihr dann dort angekommen,
wo ihr überhaupt nicht hinwolltet. Aber wenigstens niemand da, der euch im Weg
steht oder gar diesen genau an dieser Stelle kreuzt, wo ihr auch gerade
entlangwandeln wolltet. Doch lasst euch gesagt sein, ihr seid nicht allein auf
diesem Planeten! Es existieren auch andere eurer Art, die dieselben Wege &
Strassen entlanglaufen und stets ein Auge auf die Geschehnisse vor sich haben,
weil sie ansonsten im Minutentakt angerempelt würden. Dies betrifft in erster Linie
Wesen mit Penisen zwischen ihren Beinen, weil es weniger asozial scheint, den
Frust an ihnen auszulassen. Vermutlich passiert euch das deutlich weniger und
wenn doch, mit anderen Weiblein, die beide allerdings keine offensiven
Absichten haben, geschweige denn auch nur eine Sekunde davor etwas vom
kommenden Aufprall geahnt hätten. So erscheint auf den Gesichtern eurer
Ebenbilder eher ein verdutztes bis entschuldigendes Lächeln, während euch bei
diesen gewalttätigen Männchen ein aggressiver Blick und möglicherweise ein
unaussprechbarer Fluch entgegenkommt. Ich weiss, wovon ich rede, denn ich bin solch
ein frustrierter Hurensohn. Und ihr legt nicht gerade ein Verhalten an den Tag,
der meinen Frust zumindest in mir verweilen liesse. Nein, ihr lauft mit der
Selbstverständlichkeit einer Prinzessin direkt auf ihn zu, als müsste er sogleich
den Weg für sie freimachen. Immerhin ist Madame ein soziales Wesen, das
vielleicht gerade in Richtung ihrer Care-Arbeit läuft und somit keine Zeit hat,
sich an simpelste Achtsamkeiten zu halten wie ein Krankenwagen. Doch fragt
euch, ob euer Vorankommen zu Fuss wirklich mit dem Strassenverkehr verglichen
werden kann und ob euer Ziel einem Notfall gleicht. Gerade die mit dem
laufenden Schreiben beschäftigten Subjekte, die es natürlich in allen
Geschlechtern gibt, scheinen es selten eilig zu haben und doch schaffen sie es
mit ihrem langsamen Gang, ihre Kurven in den einsamsten Strassen direkt vor das
einzige menschliche Wesen darin zu lenken, auf dass der Klügere nachgeben
müsste, um zugegebenermassen unnötig lächerliche Reaktionen zu vermeiden. Wisst
ihr, verehrteste Damen, die ihr auch ein, zwei Privilegien besitzt und zu wenig
anerkennt, ich fühle mich dadurch verletzt und bin auch ein wenig neidisch,
dass ihr gedankenversunken durch die Gegend stolzieren könnt ohne körperliche
Konfrontationen zu befürchten. Es ist nicht immer leicht als Mann und bei fortschreitender
Gleichberechtigung befürchte ich manchmal, dass irgendwann ein Kipppunkt kommt,
an denen ihr zur Abwechslung an überprivilegierter Stelle steht, doch ihr euch dies
partout nicht eingestehen wollt. Nicht nur in vergleichsweise unbedeutenden
Wegkreuzungsfragen, sondern in anderen, die die Empathiefähigkeit unseres
Geschlechts betrifft. Wenn ihr darin nicht individuell differenzieren und
nachvollziehen könnt, weswegen diese bei eurer schlechteren Hälfte scheinbar
weniger ausgeprägt ist, dann seid ihr vielleicht das empathielose Geschlecht.
Sorry! sorry ... sei doch nicht gleich angepisst und versuch doch zu verstehen,
weswegen ich mich zu dieser provokanten Spitze habe hinreissen lassen. Es tut
mir weh, wenn du mich so wutentbrannt anstarrst und mich gleich als gefühlstotes
Monster abstempelst, sobald ich mal was Kritische dir gegenüber äussere. Aber
das gehört ebenfalls zur Emanzipation dazu. Ja, okeeey, ich stecke nicht in
deiner Haut, aber verstehst du jetzt? Empathie? Nicht? Du denkst wirklich, man
könne sich nicht in die Lage einer anderen Person versetzen? Das scheint ja generell
gerade so ein Trugschluss zu sein, der zwar anerkennt, dass es unterschiedliche
Lebensrealitäten gibt, aber dann doch nicht zugeben will, wenn er wirklich
Verständnis für jemand anderes aufbringen kann, um sich nicht angreifbar zu
machen. Aber woher soll ich das wissen? Ich bin ja nur ein Weisser Mann, reinrassig
aus der europäischen Mittelschicht stammend, der sich so ausdrückt und vor
allem so aussieht, als wäre er alt. Und er gendert nicht einmal, sondern faselt
was von einer Umdeutung des generischen Maskulin, da dies ja so viel schöner
und weniger umständlich klingt in dieser eh schon hässlichen Sprache. Andere Sprachen
kommen auch ohne ein generisches Feminina aus, geschweige denn mit
irgendwelchen beschissenen Sternchen, einfach weil es so schön offensiv korrekt
ist. Aber leider die abzuschaffenden Identitätsgrenzen zwischen unterschiedlichen
Menschen noch weiter bestärkt, statt sie nach und nach aufzulösen. Und die
eigentlichen Probleme finden ja in der realen Welt statt und nicht in der
Sprache. Sie ist nur Ausdruck davon und ihr drückt mit ihr stetig aus, dass ihr
auf ein Podest gehoben werden wollt, um uns armen Männlein für immer und ewig
vorzuhalten, was wir euch alles angetan haben, antun und weiterhin antun
werden, wenn ihr nicht mit besserem Beispiel vorangeht, statt denselben
Machtgelüsten zu verfallen wie wir. Eure Psychologie ist nämlich nicht wirklich
anders als unsere. Genug jetzt. Ist zu wenig angriffig geworden für solch einen
Titel. Ich schäme mich auch ganz doll dafür. Sorry. Nicht.
- RvH - 29.09.2021 - 18:51 - 0424 -