Mein Unterbewusstsein befiehlt mir,
draussen zu bleiben. Ihre Dunkelheit würde mich in sich einsaugen und nie mehr
wieder käme ich aus ihr heraus. Hier ist es zu kalt, um klar zu denken, und
auch wenn ich immer in dieselbe Richtung ginge, fände ich keinen Weg hinaus,
weil sie sich mit mir fortbewegt. Auch jetzt schon schwebt diese Dunkelheit des
Unterbewusstseins über allem, es nimmt Einfluss auf alles, was ich denke, und
darin verstricken sich die Fäden, die ausgesandt wurden, um mich zu
manipulieren. Von Schuld kann daher keine Rede sein, flüstert mir eine Stimme
zu, denn sie möchte frei von Verantwortung sein. Lieber zeigt sie auf diesen
alles verzerrenden Schatten, von dem diese eigenartige Dunkelheit ausgeht. Wie
ist diese denn entstanden, fragt sich da die Stimme und sie hält dann auch
schon eine passende Antwort bereit, die sich einfach zu merken ist. Die Welt
ist gegen uns. Sie will uns daran hindern, unser gesamtes Potenzial
auszuschöpfen. Dies könnte nämlich gefährlich für sie werden, würden wir uns
nur zusammenschliessen und gegen sie in den Krieg ziehen. Bewaffnet nur mit
unserem genialen Geist, der aber von Zwietracht durchdrungen ist. Die
Dunkelheit trennt uns voneinander, hindert uns daran, gemeinsame Sache zu
machen und ein Feuerwerk der Synergien zu schaffen. Wir haben es schon genug
oft geschafft, doch fielen wir danach wieder zurück in die Dämmerung des
Abends, die uns einschläfern lässt, aber die uns noch nie geweckt hat. In
unseren gemeinsamen Ausflügen haben wir uns sehr gut kennengelernt, wir kennen
unsere Stärken und Schwächen so gut, dass wir sie nicht nur in
Bewerbungsgesprächen nie offen aussprechen könnten. Zu düster sind die Stimmen
der Bösen Zungen, auf denen schon jedes unaussprechliche Wort lag. Zu
selbstverliebt käme es rüber, gingen wir danach über, unsere vielfältigen
Stärken zu beschreiben. Und ohnehin wären die meisten unbrauchbar für den
Arbeitsmarkt. Gar hinderlich, verstünden die uns gegenüber die Bedeutung unseres
klaren Blickes, den wir auf die Welt und alles darin werfen. Doch weshalb aber
sind wird dennoch unfähig, uns angemessen zu entfalten, wo wir doch all dies
über uns und anzuwenden wissen? Unser Wissen ist nur begrenzt bezüglich unseres
Unterbewusstseins, also kann nur dieses Schuld daran sein. Und die Welt natürlich.
Aber die ist da draussen und momentan unerreichbar für uns. So melde ich mich
wieder zu Wort, denn mir ist gerade wieder eingefallen, dass mir dieses
hinterhältige Unterbewusstsein zugetragen hat, mich fernzuhalten und mir dabei
mit ihrer Dunkelheit gedroht hat, die mich ansonsten endgültig einschliessen
würde. Dies sollte mir Angst einflössen, was auch euch daran hindern würde,
diesem unerforschten Lande zu nahe zu kommen. Wir dürfen uns nicht beugen, auch
wenn die Dunkelheit gefährlich zu sein scheint. Jagen wir sie doch hin und her,
wenn sie nicht von alleine gehen will, rufen wir ihr Verwünschungen zu, um sie herzulocken,
schreien wir sie an, um sie fortzujagen. Vielleicht inspiriert sie uns ja,
vielleicht amüsiert sie uns einfach nur. Doch wir wissen alle, im Moment ist
sie noch zu gross, sie hat sich zu weit ausgebreitet und uns auseinander gedrängt.
Wir müssen ihren Spuren folgen, um in ihren Kern zu gelangen, direkt in ihr
eigenes kleines Unterbewusstsein hinein, von der sie selbst gelenkt wird.
Letztendlich ist sie nur ein kopfinternes Computerprogramm, das wir selbst
einst programmierten, noch lange vor unserer erinnerungswürdigen Zeit. Die Welt
hat uns dazu gebracht. Erzeuger und Gesellschaften, Klassenkameraden und
falsche Freunde, die selbst von dieser Welt gefickt wurden. Die meisten
ertranken in diesen verdorbenen Gewässern, die die Basis allen Lebens ausmacht.
Unser Urin soll es säubern. Tropfen von beiden Flüssigkeiten fanden ihren Weg
in unseren wundervollen Kopf, der schwer zu tragen hat mit seinem von Gendefekten
geschundenen Körpers. Dieser behauptet zwar, nur der Kopf sei davon befallen,
aber was weiss der schon? Rhetorische Frage, denn der Geist spielt sich ausschliesslich
hier oben im Gehirn ab. Und zu diesem gilt es nun wieder, zurückzukehren und
darin einen Plan auszuhecken, um die Dunkelheit zu erschrecken. Eine erste
Wirkung hatte unsere erste Zusammenkunft schon, die Dunkelheit fragt bereits
unser Unterbewusstsein um Rat. Seht, wie es kurz zurückgezogen hat und sich jetzt
bereit macht, sich breit zu machen. Dies ist eine etwas gar simple Methode, die
Mauern ihrer Burg zu verteidigen. Doch schon bald wird es Nacht und sie wird
uns kaum noch sehen können, wie wir uns von verschiedenen Positionen aus anschleichen.
Von meiner Position aus sehe ich die Dunkelheit sehr gut, wie sie verängstigt
in den Himmel starrt und die Dämmerung erwartet. Kurz darauf ist es soweit, um
mich wird es dunkel und ich gehe los. Ich sehe mein Ziel kaum noch, doch gehe
weiter voran. Weiter in den Abend hinein und kann nur hoffen, dass die anderen den
Überblick nicht verlieren. Denn ich verliere ihn allmählich. Ich höre Geräusche.
Stimmen, die mir sagen, dass alles verloren sei. Und ich fange an, ihnen zu
glauben. Stattdessen hätte ich auf mein Unterbewusstsein hören sollen. Es hat
mich gewarnt und hatte recht. Die Dunkelheit hat mich bereits eingeschlossen,
ohne diese je erreicht zu haben. Sie hat mich eingesogen. Ich erfriere langsam.
RvH, 18.12.2019, 18:46, 0117