Unterwerfung


Ich blicke auf die Welt herab und sehe Abschaum. Er widert mich an in seiner gesamten Bedeutung, die er für die Existenz allen Seins einnimmt. Im endgültigen Bilde kaum sichtbar, wirkt er in seinem eigenen Mikrokosmus zerstörerisch wie ein Virus. Was sich auf dieser einsamen Kugel abspielt, ist für Aussenstehende kaum nachvollziehbar, so wagen wir doch einen Blick in des Abschaums Lebensrealität und entdecken gemeinsam durch meine Augen diese abscheuliche Welt, die sich vor mir auftut. Die Tür hinaus aus meiner grauen Zelle, die ihr Ebenbild in meinem Gehirn zu erschaffen versucht, führt uns in ein idyllisches kleines Dorf, von dessen blutiger Vergangenheit lediglich ein Aussichtsturm aus mittelalterlicher Zeit erinnert und nur einem erkenntnisreichen Betrachter dieses sozialen Gefüges offenbaren sich die Spuren der Gewalt der Gegenwart. Als fremd abgespeicherte Gesichtszüge und -farben erzählen eine Geschichte voller Leid und Hinterbliebenen. Sie gingen fort in die weite Welt, um nicht wieder heimzukehren. Denn dort herrscht der Schrecken, der Hunger, der Tod. Diktatoren und Armeen von unterschiedlichsten Kolonien zerstören wie Verrückte örtliche Gebäude und Strassen und schrecken dabei nicht einmal vor Menschen zurück. Sie haben es nicht nur auf Ihresgleichen abgesehen, die ebenfalls Waffen tragen, denn dies wäre selbst für sie auf Dauer zu gefährlich und existenzbedrohend. Sie sind Feiglinge, die zu schwach waren, um friedlich zu bleiben. Sie fürchten den Kampf gegen sich selbst mehr als den gegen andere, wollen am liebsten keine Schmerzen spüren müssen und stattdessen nur zufügen. Wenn es dann doch mal wehtun sollte, darf es kein seelischer Schmerz sein, da sie daran zerbrechen würden. Solch ein Chaos herrscht nicht überall, aber kann jederzeit wieder ausbrechen. Zurzeit sind die mächtigsten Kolonien nicht akut von solchen Gewaltausbrüchen bedroht, wenn auch manchmal kleinste Angriffe geschehen, sie agieren ausserhalb ihrer Grenzen und dies meist aus taktischen Gründen, die die Vorherrschaft verlängern oder stärken sollen. In solch sicheren Oasen sind grundsätzlich bessere Bedingungen geschaffen, um die Entfaltung des menschlichen Potenzials voranzutreiben, und so kommen und gehen neue Verhaltensmuster und auch tatsächliche Weiterentwicklungen erscheinen immer öfters als Modeerscheinungen nur mit bedingt nachhaltiger Wirkung. Dies überfordert all jene, die glaubten, alles überblickt zu haben, was ihr Leben betrifft. Es drängen sich ihnen nicht nur neue Regeln im Umgang mit anderen Menschen auf, auch die Technik breitet sich immer weiter aus und beflügelt gleichzeitig auch Veränderungen dieser Regeln. Und wenn ein einfacher Geist diesen oder ähnliche Aspekte erst entschlüsselt hat, verfestigt sich die Abwehrhaltung allen Neuem gegenüber nur noch mehr und in der Masse entsteht das Verlangen nach einer Rückentwicklung hin zu Altbekanntem. Einheiten dieser Geisteshaltung sprossen in den letzten Jahren nur so aus dem Boden des politischen Parketts heraus, dass eine Eskalation in den Oasen immer wahrscheinlicher wird. Es könnte auch Karma sein, denn nur weil die Ausbeutung nicht gesehen wird, geschieht sie trotzdem. Und dies geschah schon viel zu lange, nur grenzt die Kritik an diesem Kreislauf der Waren an Hochverrat, so behaupten es zumindest Zyniker und ihre Schäfchen plappern es ihnen nach, da sie es nicht besser wissen. Ihr müder Geist möchte sich nicht mit komplexen Zusammenhängen beschäftigen, es genügen ihm einfache Parolen, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Sofern sie die eigene Erhabenheit implizieren und nur solche auf gleiche Stufe stellen, die seinem primitiven Äusseren ähneln, sind sie ihm leicht zugänglich und wird zumindest nicht müde, diese immer und immer wieder zu wiederholen wie ein zurückgebliebenes Kind. Die ihm freiwillig umgeben, sind tatsächlich auf derselben geistigen Stufe hängengeblieben und bestätigen sich gegenseitig in ihrer Dummheit. Gerade in ländlichen Gebieten ist die Furcht vor allen Veränderungen nahezu undurchdringbar gross, da ohne ihr Zutun wenig geschieht. Städte werden, wenn sie überhaupt in der Nähe liegen, eher als Ausflugsort betrachtet und nicht alle Art von Vielfalt wird geschätzt, nur die von Vorteil. Auf dem Lande ist es immerhin übersichtlich und viele kommen ihr Leben lang nicht raus, da sie das Unbekannte fürchten. Lieber unterwerfen sie sich weiterhin den bekannten Herdentreiber, als deren Existenzberechtigung nur schon zu hinterfragen, lieber würden sie auf Befehl hin die Fremden mit roher Gewalt fortjagen, als sich ihnen friedlich anzunähern und ihre Unsicherheiten zu überwinden. Auch sie sind Feiglinge und schaffen gar in ihren eigenen Reihen Aussenseiter, wenn diese nicht auf allen Ebenen nach ihren vermeintlich eigenen Regeln spielen. Sie schauen voller Abneigung auf diese traurigen Auserwählten, von denen viele diesem Druck nicht standhalten. Lieber unterwerfen sie sich ihnen so gut, wie es geht und versuchen, nicht weiter aufzufallen. Manch einer geht daran zugrunde und sieht keinen Ausweg aus diesem ewigen Kampf und verschwindet hinter vorgehaltenen Händen. Das Leben des Clowns ist ein Kompromiss und bringt immerhin alle zum Lachen. Doch dieser Teufelskreis muss gebrochen werden, zumindest hier im Kleinen, auch wenn Grosses möglich wäre. Ihr Hasserfüllter Blick traf auch mich, gleich unterhalb dieses Dorfes, doch der Erinnerungswürdigste kam von hier oben. Ich werde ihnen entgegentreten und mich nur in den Kampf begeben, um ihn zu beenden. Nicht ihr Lachen wird meine Bestätigung sein, sondern ihr Schrecken vor mir, der Reinkarnation ihrer Abgründe, der sie zu diesem Abschaum gemacht haben, der sie nun sind. Ich tue dies nur aus Arroganz, denn ich blicke auf euch herab.

RvH, 31.12.2019, 00:16, 0127