Jahresende


Es nimmt die letzte Wärme weg, welche mittendrin ihren Höhepunkt erreicht. Zwar verläuft sie bereits deutlich länger als zuvor, doch kommt sie dennoch zu einem Ende. Hand in Hand mit dem des Jahres gehen sie davon, direkt in die Eishölle ihrer Seelen und erfrieren gemeinsam in ihren Armen verschlungen. Dies Bild kann mein Herz kaum noch erwärmen, denn es steht unter dem Feuer Satans. Seine Wut verleiht mir Flügel, wie es nur mein präferiertes Koffeingetränk könnte, stünde dessen Bewerbung im Lichte der Wahrheit. Doch das tut sie nicht, so bleiben nur eine fortschreitende Überzuckerung und Tonnen an Aludosen übrig, die mich bald zudecken werden, jedoch nicht wärmen. Nein, diese Aufgabe ist mir selbst überlassen, mir und meiner Stimme, diese scheuen kleinen Akustikwellen. Sie sollen aus mir herausdringen und die Welt erobern, doch sie verstecken sich tief in mir drin, gleich neben meinem Magen, wo sie ihn zu verderben versuchen. Sie dringen immer weiter vor und machen sich langsam bemerkbar, sie dehnen sich aus und schaffen jedoch nur einen Furz. Falsches Ende, falscher Klang. Viel zu unkontrollierbar in seiner vollen Entfaltung und auch die Variationsmöglichkeiten sind begrenzt. Nur ein widerlicher Zufall der Biologie, den es zu unterdrücken gilt. Nur so kann er an die Oberfläche gelangen, dieser Klang einer wütenden Stimme, die nur alle Menschen in Angst und Schrecken versetzen will, als wäre sie ein Horrorclown. Das ist sie auch, jedoch tarnt sie sich als einen unauffälligen Menschen, der auf erbärmliche Weise versucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dies misslingt ihm gerade. Er sitzt nur halbbekifft herum und führt eine Saga weiter, die ihn noch lange verfolgen wird. Darin furzt er sich aus und formt aus all dem Gas alles vergiftende Weisse Ungetüme, um sie auf dem Gesicht seines Egos abzuspritzen, welches er gepflegt gen aussen trägt. Es ist das Gesicht seiner Kunstfigur. Ein Begriff wie geschaffen, um es zu vermeiden, seinen glorreichen Namen allzu oft zu erwähnen. Denn das Jahresende naht, wie es einst der Winter tat, der als einziger blieb, wie nur ein Er es kann. Erst aufdringlich, dann eindringlich. Schreckliche Bilder. Sie stecken in mir drin, weil sie aus der Realität stammen, von der ich auch nur ein kleiner Teil bin. Die Realität der Menschheit, eingeklemmt in Jahresabfolgen, deren Zahl immer weiter steigt, als stünde sie unter dem Einfluss einer leichten Inflationsrate, diese eine hochkomplexe Realität kann man nicht wirklich bemessen. Daran scheitert ebenjene Menschheit schon seit Jahrtausenden und sie hat es immer noch nicht begriffen. Zahlen sind für das Essenzielle blind und doch lassen wir uns von ihnen leiten. Nicht nur das, sie herrschen über uns und übernehmen die Entscheidungsgewalt über unser aller gemeinsamen Fortschritts. Sie ficken unseren Kopf, in dem der Kollektive Geist der Menschheit steckt, den ich aufzuklären gedenke. Wie es ein grosser Dichter und Denker unserer Zeit gerade schreibt, muss es unser aller gemeinsames Ziel sein, dieser Droge der überflüssigen Zahlen zu entbehren. Die Abhängigkeit kann noch nicht beendet werden, aber die Sucht danach. Viel zu viele Junkies scheissen auf alles, gar auf unsere Gemeinsame Heimat, doch zumindest als einzelner kann man bereits darauf verzichten. Und um den Entzug für Unentschlossene attraktiver zu gestalten, schlage ich eine Art Methadonprogramm vor. Ich nenne es das Bedingungslose Grundeinkommen. Eine Idee wie geschaffen für eine sanfte Revolution, die nicht blutig zu enden braucht. Selbstverteidigung ist die Gewaltlegitimation des Pazifisten und diese soll gezielt angewendet werden, um unhaltbare Situationen zu beenden. Alleine der Zwang zur Obdachlosigkeit ist Grund genug, eine Reaktion herbei zu dichten, die, aus dem Kontext gerissen, wie ein Angriff aussähe. Ein Angriff auf leerstehende Häuser, die erst durch die Polizei gewalttätig wird, oder ein Angriff auf Immobilienhaie, deren Verwaltungen daran gehindert werden, negativen Einfluss auszuüben und stattdessen nur noch zu verwalten hätten. Weniger Arbeit für alle! Doch für mich wird dem Beginn des Jahresendes auch schon bald das Ende meiner Arbeitslosigkeit folgen. Doch erst einmal noch bewerben. Viel zu viel Schreibarbeit für einen Monat. Doch ein wahrer Gonzo kann aus allem etwas stricken, das ihm gerade einfällt und so möchte ich noch versuchen, diese Weisse Socke voller verwirrender Muster zu Ende zu bringen. Vielleicht bleibt ein Loch übrig, als würde sie seit Jahren getragen. Denn mir bleibt nur mein erbärmliches Leben und dessen Abnutzung als Inspirationsquelle übrig. Alles andere nehme ich nur noch sehr oberflächlich wahr. Es berührt mich kaum noch, dieses System der Sklaverei, wie es sich über die Zeiten hinweg undurchdringlich ausgeprägt hat wie ein Netz von unzähligen Riesenspinnen. Eingewickelt wie Frodo verweilte ich die letzten Jahre in einer Kammer des Schreckens, in der sich Miniaturausgaben meiner Geiselnehmer ausbreiten und verenden. Ich sehe hinab und sehe in ihren Netzen das Spiegelbild meiner Seele, die einst fliegen lernte und nun doch fiel. Ich sehe schon am Ende meines Lebens ein Schwarzes Loch, in dem ich verschwinden werde.

RvH, 06.12.2019, 00:37, 0110