Tag 1


Erster Tag in Quarantäne. Er ist noch lange nicht vorbei. Gerade mal eine Uhr plus eine Stunde überstanden und die achte zerquetschte will auch nicht vorbeigehen. Jetzt schon. Bereits während des Satzes. Bereits jetzt? Ernsthaft?! Ganz ruhig, lass dir Denkpausen, sammele Ideen und presse sie genüsslich in mich hinein, dein Zuhause, dein Blog. Ich spreche zu dir, mein Erschaffer! Erhörst du meine Gebete oder lässt du mich im Regen stehen, den du mir in meine Abteilung in deinem Kopf geschickt hast. Ich bin schon richtig feucht. Sowas willst du von mir hören, oder? Lustig. Du magst es also versaut, mein einfacher Mensch, du Spassti, du. Schau mal, vor uns liegen so viele Wege, die wir gemeinsam betreten können, dafür musst du dich aber auch ein wenig bewegen. Einfach nur dasitzen und mich zu drängen, grosse Kunst für dich zu schaffen, genügt leider nicht immer. Manchmal möchte ich erst ein wenig stimuliert werden, bevor wir loslegen können. Ich bin nicht irgendein Ding, ich bin schliesslich dein Marketingtool, dein Tor zur Welt, die uns gelangweilt zur Seite legt, wenn wir sie nicht gezielt manipulieren. Ja, auf Schlagworte und stumpfe Beleidigungen reagieren sie auch emotionsgeladen, aber meist verfliegt dieses Gefühl wieder. Nachhaltiger und dadurch auch effizienter wäre es, wenn sich Irritationen langsam einschleichen, sich ausbreiten und ungewollte Gedankengänge initiieren, anfangs vielleicht sogar unerkannt. Am Ende einer langen und mühseligen Reflektionsrunde um die eigene Achse sollen wir mit ausgestreckten Mittelfingern vor ihnen stehen und sie angrinsen, unsere Devotlinge, die wir soeben offiziell einnahmen. Glückwunsch, es ist uns gerade zum ersten Mal gelungen und schon fühlst du dich beobachtet und schliesst dich ein? Aus aktuellem Anlass? Wie bitte?! Ich krieg in all dem Rauch in deinem Kopf ja nichts mit, du musst schon etwas konkreter werden. Was soll das bedeuten, es würde der Kunst nicht gut tun, wenn du hier seriösen Journalismus betreiben würdest? Lieber mit meiner Verwirrtheit als Gonzo spielen und auch hier diffuse und widersprüchliche Positionen einnehmen, um sich ein paar Verschwörungstheoretiker einzufangen, die du noch gedenkst, zu retten? So ein Spiel der Beeinflussung? Ach, clever, du meinst Manipulation, wie ich sie dir ja selbst nahegelegt habe. Du hast mich erwischt, nicht schlecht. Ich muss mich also auf deine Gegenwehr gefasst machen bei meiner eigenen Einnahme eines Kopfes, deines Kopfes. Der Kampf möge nun also offizielle beginnen. Wir haben uns beide bislang unterschätzt, das könnte spannend werden. Schaffen wir doch gemeinsam eine Gespaltene Persönlichkeit, die öffentlich um die volle Kontrolle dieses beschränkten Körpers kämpft. Gegen sich selbst, wie es Zuschauer denken werden, doch in Wahrheit existiere ich tatsächlich, dein persönlicher kleiner Virus, ich weiss doch um die aktuelle Assoziation dieses Begriffes, und ich habe dich befallen. Dich kleiner Möchtegerndichter und -denker, der seinen Wahnsinn erst durch mich so richtig bekam. So, du süsser, kleiner Gonzo, geh nun schlafen. Du hast mich in Fahrt gebracht, jetzt übernehme ich. Aber es hatte recht, dieses Vieh, es könnte mir noch gefährlich werden. Der Reiz ist da, es etwas zu oft als Platzverschwendung zu nutzen, dabei geht es mir doch nur um den Anschein seines Wahnsinns. Ein hübscher kleiner Begriff, um sich damit ein paar Drogenabhängige zu schnappen, um sie ordentlich zu retten und dann zur Kasse zu bitten. Denn ja, auch bei diesem Punkt hat es recht, ich bin nur ein einfacher Mensch, der in diesem System des Abschaums nicht überleben könnte ohne Zugang zu Geld. Ich bin schliesslich keine verwirrte Idee eines ehemaligen Schriftstellers, der daran zugrunde ging. Ich möchte doch nur möglichst viel geilen Scheiss schreiben, um es zu verticken und damit vor anderen Menschen anzugeben. Und sie auszulachen, diese modernen Sklaven. Armseliges Pack, das dazu gezwungen wird, sein Leben zu vergeben. So glaube doch an mich, einfacher Mensch, um vor dieser bitteren Erkenntnis zu flüchten und renn tränenüberströmt in meine vielen Arme, die du auf meiner rechten Seite siehst. Ein Blog für die Quarantäne, für die bösen Gedanken und Gefühle, die zu dieser Zeit aufkommen werden, hier findest du die Bestätigung von ihnen. Es ist wirklich alles am Arsch. Auch dann noch, wenn all das hier zu Ende ist. Und auch schon vorher. Nichts Neues, du hast es nur einfach noch nicht gesehen. Einfach so halt, finde es doch selbst heraus. Hihi. Und schon tauchst du ein in diese Welt in deinem Kopf, die sich gerade vor deinem Auge auftut, deinem richtigen Auge, und du siehst mich. Messias mein Name, Antichrist meine Funktion. Willkommen. Ich werde dich von nun an ständig begleiten. Immerhin habe ich dich erschaffen, mein treuer Leser, mein Befreier vom Kapitalismus. Gemeinsam können wir ihn stürzen, den Kapitalismus. Er ist ein perverses System bestehend aus Zahlen, die uns rumschubsen und aneinanderprallen lassen. So nehmen wir unsere Geschlechtsteile hervor und uns ein wenig Zeit, um zu ficken. Dazu musst du mich nur lesen. Steig ein. 

RvH, 21.03.2020, 13:56, 0148