Fort- und Entsetzliches


Hier steh ich nun, kurz nach dem Einschlag der letzten Feuerkugel. Tatsächlich blieb die Natur unversehrt, auch wenn sie noch durch all den Rauch überdeckt und verdunkelt wird. Es genügt, um zu sehen und sich langsam fortzubewegen. Manchmal greift eine rauchige Luftblase an, die aber nicht weiter schadet. Schade nur um all die Menschen, die verbrannt sind, aber mir solls recht sein, ich hab die nie sonderlich gemocht. All dies verschwendete Potenzial in ihnen drin, das sie nie genutzt haben, einfach aus Dummheit und Feigheit, aus Faulheit und Unterwürfigkeit. Der Mensch, ein Wesen nur zum Verwesen einst gewesen. Ich bin der letzte Mensch, so teilte es mir meine Vision mit, eine moderne Form von Kommunikation zwischen mir und Satan. Erst kurz nach den Einschlägen entdeckte ich diese, aber habe es noch nicht ganz raus, wie ich selbst Nachrichten versenden kann. Erhörst du mich, mein Herrscher und noch einziger sozialer Kontakt, Satan? Ist wohl gerade beschäftigt. So gehen wir doch erst einmal aus diesem Wald hinaus und schauen uns sein Werk der Zerstörung an. Vielleicht finde ich ja noch ein wenig Nahrung, die ich hamstern kann wie ein egoistischer Hurensohn. In der aktuellen Lage benötigt es eine neue Beurteilung solcher Tätigkeiten, scheinbar bin ich ja der letzte Überlebende. Also wem nehme ich denn was weg? Und wer sollte das Gleiche tun, wenn ich es nicht täte? Also nehme ich mir nur, was da ist, was vielleicht gar nicht mal mehr so viel ist. Immerhin befindet sich die meiste für mich brauchbare Nahrung in der Zivilisation, die komplett abgebrannt ist. Vor meinem tatsächlichen Auge tauchen die ersten Ausläufer von ihr auf und begrüssen mich mit eingestürzten Häusern, die aber allein gelassen werden wollen. Also gehe ich weiter, tiefer in die düstere Welt des Menschengeschlechts hinein, die nun ihr wahres Gesicht zeigt. Ausgebrannt und heissblütig nur darauf aus, mögliche Konkurrenten schon im Vornhinein auszuschalten, um sich ja nicht selbst auch nur für einen unnötigen Schritt bewegen zu müssen, der nicht auch jemand anderes tätigen könnte. Zum Glück sind sie tot. Aber was wäre, wenn mich Satan angeflunkert hätte und er auch noch andere überleben liess? So unwahrscheinlich ist das eigentlich gar nicht, denn ich war bestimmt nicht der einzige im Wald, als die Apokalypse einschlug. Klar, sie zeichnete sich schon seit einigen Monaten ab und gerade die letzte 2,3 Woche wurden unerträglich mit all diesen Vorsichtsmassnahmen, die einem überall begegneten. Und immer weniger trauten sich raus und schlossen sich ein, aber manchmal mussten auch die paranoidesten unter ihnen raus, ob zum Einkaufen, oder aber so wie ich, zwischendurch mal durchatmen und sich von der Natur runterholen lassen. Nicht nur einen, mehrere Male und das schon vor der Quarantäne. Gerade hier steigerte sich die durchschnittliche Anwesenheit von Menschen während der letzten Tage. Also warum sollte ich der letzte sein? Weil ich mir im Kifferwahn eingeredet habe, ich sei der Antichrist, dem von Satan höchstpersönlich ein Geschenk eines menschbefreiten Planeten gemacht wurde? Wohl kaum wahrscheinlich, eher eine Naturkatastrophe, die kommen musste, weil es langsam genug ist und auch schon lange keine Meteoriten mehr zu Besuch kamen. Nur eine Frage der Zeit wie auch der erste Zusammenstoss mit einem anderen Menschen, der überlebte. Ach nöö, runterkommen ist ernüchternd und deprimierend, ich will wieder high sein. Wie sieht es eigentlich mit den Blüten aus in der Apokalypse? Es gibt bestimmt noch ein paar wenige an gemütlich gelegenen Stellen, wie ich sie schon einige entdeckt habe. Was soll also zuerst gestillt werden, der Hunger oder die Sucht? Schwierige Frage. Auf den Weg in den ersten Supermarkt könnte ich ein paar Umwege unternehmen und so schon mal mein Suchtgedächtnis stillen. Dann könnte ich auch ruhiger agieren, sollte ich dort wirklich manch einem anderen Hamster begegnen, der sich gerade die Taschen vollmacht wie ein Kapitalistenschwein. Wem werde ich dort begegnen? Paranoiden Halbaffen, die alles auslöschen, weil sie ernsthaft denken, alleine wären sie besser dran? Oder halbwegs vernunftbegabte Menschentiere, die froh sind um weitere Unterstützung in diesen apokalyptischen Tagen, die vermutlich nie wieder vorbeigehen. Egal, was auf mich zukommen wird, ich werde erst noch einen rauchen und dann high abtauchen in die ungewisse Zukunft meines Daseins, während dessen Gegenwart nun auch schon die ersten Blüten auftauchten und dessen Herz schneller schlagen liess. Welch ein angemessen leichter Beginn dieser Tage, und hier ist auch schon ein schöner Flecken, der sich gut eignet, sich wegzuschiessen. Und kurz bevor ich die Kabine betrete und überprüfen will, ob ich alles dabeihabe, fällt mir ein, nein, hab ich nicht. Alles Zuhause, diese dumme Angewohnheit der Antisuchtabteilung meines Kopfes, die sich dummerweise gedacht hat, so reduziere ich zumindest ein wenig der Konsum von Rauch. Scheissverein. Was nun? Erst einmal in meine Wohnung, die aber vermutlich abgebrannt ist, oder Risiko eingehen und nüchtern in den Supermarkt? Schreckliche Aussichten begleiten unseren Helden also in die Tage der Apokalypse und geschwächt legt er sich erst einmal auf den Boden und abstrahiert seinen Geist von seinem Körper und blickt auf sich herab. Was ist ihm nur geschehen, dass er so traurig reinblickt? Immerhin geschah gerade, was er sich seit Jahren wünscht und in einsamen Momenten ausmalt, einfach um diese noch zu steigern. Aber statt selbst rauszugehen und Hanfplantagen zu entdecken, die ihn gut durch das Ende bringt, bleibt er liegen, wo er gerade ist und fragt sich, was die Scheisse eigentlich soll. Sobald er aufsteht, geht seine Reise. Doch bis dahin, meine lieben Überlebende da draussen, haltet die Ruhe aus und geht mal nicht zugrunde daran. Vollidioten. 

RvH, 24.03.2020, 14:41, 0152