Landnahme


Der Virus breitet sich aus. Er nahm längst eine metaphysische Form an und durchdringt immer weiter die einfachen Geister der Zellen. Er hat es auf ihr Rechenzentrum abgesehen, im Grossen wie im Kleinen. Auch diese Botschaft versucht sich in dessen virtuelle Welt zu verbreiten und als Antivirus in den Kampf zu ziehen gegen die sich weiter ausbreitende Landnahme dieser abscheulichen Krankheit. Derweil fürchten sich die Zellen vor einer winzigen Kopie des Virus, der sich unter tausenden seinesgleichen einen Namen gemacht hat, weil er nebst seinem Medizinstudium noch BWL studierte. Ein kluges, kleines Kerlchen und dennoch nur ein schlechter Witz eines zynischen Satirikers, der seinen Streich keineswegs aufzudecken gedenkt. Nichts Neues, denkt sich dabei der Kritiker seiner Kunst und vergleicht diese mit der von Vorgängern, die ähnliches leisteten. Niemand interessiert sich für den Kritiker, er hat eine seltsame Persönlichkeit und bei vielen seiner Gattung liegt seinen Äusserungen eine tiefgreifende Verwirrung zugrunde. Theorie und Fakten werden dabei gerne vermischt, selektiert und in einer vereinfachten und oftmals masslos übertriebenen Darstellung der Realität abgebildet. Spannung und Machtlosigkeit geben sich die Hand und lassen den Zuschauer in einer unheimlichen Stimmungslage mit gleichzeitiger Erhabenheit fallen, an der die narzisstische Persönlichkeit noch lange zu zehren hat. Vor dessen Augen verwandelt sich die Welt in eine dystopische Geschichtsschreibung, die all das Schrecken schon im Vorhinein miteingeplant hat nebst all den anderen Ereignissen, die Tag für Tag meist unerkannt geschehen für jeden Abgeneigten der Lügenpresse. Und nun versteht man endlich auch diese, all die komplizierten Worte und Zusammenhänge nur eine Verwirrungstaktik, um die wahren Entscheidungsträger hinter dem Vorhang der Weltbühne zu verschleiern. Es sind keine anstrengenden Analysen und Gedankengänge mehr nötig, es genügt ein manisches Stimmungshoch, was sogar zusätzlich stimuliert werden kann. Eine tägliche Einnahme des Roten Rauchs aus der Pille, genannt Bong, beschleunigt den Weg zur Erkenntnis, ab dessen Eintreten man für immer erleuchtet sein wird, jedoch auch unverstanden und für verrückt erklärt. Die Überlegenheit ist Trostpflaster genug, so möge selbst eine handgemachte Psychoanalyse als Verschwörung entlarvt werden. Sie wollen doch nur, dass man an sich selbst zweifelt und hinterfragt, damit man ebenjenes nicht bei ihnen tut. Geschickt, mein Führer, geschickt. So sage mir, wie du mich weiter gedenkst zu manipulieren, sobald ich erwacht bin? Keine Antwort? Hab ich’s mir doch gedacht. Und so geht der Virus weiter seinen Weg und entwickelt in der Masse immer abstrusere Fehlinterpretationen der Wirklichkeit und braucht keinen weiteren Anschub mehr. Nur noch eine Frage der Zeit, bis das Raubtier ein erneutes Mal angreift, mit neuen Marketingstrategien und -tools bewaffnet, wird es in den Krieg der Informationen und Schuldzuweisungen ziehen, um seine Gegner auf einem neuen Level der Grausamkeit zu vernichten. Vielleicht wird er diesmal als Sieger vom Platz gehen, um diese einst grüne Wiese endgültig hinter sich zu lassen. Soll sie in Frieden ruhen und keine Monster mehr schaffen. Ihre Gräser wurden schon zu kurz geschnitten und zeigen unter seiner Kunstfigur nur noch leicht endzündbare Erde, die den Virus abfackeln lässt, damit die Asche dem Boden seine Nährstoffe zurückgeben kann, auf dass saftige Wiesen aus ihm spriessen. Die Verwunschenen des Raumes sandten bereits Feuerkugeln, die in wenigen Lichtjahren ihr Ziel erreichen werden. Ein Stromschlag folgt und zerschlägt das Netzwerk des Virus. Die Panik steigt auf einem irrelevanten Schiff, das vom Ozean des Universums verschlungen und in einem dieser zahlreichen, verstopften Schwarzen Löchern verstaut wird. Verschwendete Materie, das weiss er nun, Satan, und er übernimmt jetzt doch die Führung. Sein Auserwählter ist ein Versager, er wird es niemals zu was bringen. Nur ein verpeilter Kiffer, der wirres Zeug labert und sich in Fantasien verliert. Selbst er ist ausgedacht, denkt er sich und leugnet somit auch die Existenz seines Meisters. An anderen Tagen bildet er sich ein, er wäre lediglich eine Zelle, die Teil eines Virus ist, der die Welt befallen hat. Der Wahn seines Krautes hat ihn vollkommen eingenommen und nur verschwommen kann er seiner Umgebung noch entkommen. So endet es also, seine Geschichte und Bestimmung. Satan ist enttäuscht. 

 RvH, 05.03.2020, 18:38, 0139