Lage der Nation


Jetzt sind es nur noch die Vollidioten, die die Welt bevölkern. Sie wandeln rücksichtslos durch die Gegend und nerven mit ihrer Gegenwart sammelwütige Kundschafter. Vernachlässigte Kinder verbringen zum ersten Mal längere Zeit mit ihren überforderten Vätern und das merkt man ihnen an. Sie halten ihren übermotivierten Genpool kaum an der Leine, da ja kaum jemand da ist, den sie beissen könnten. Und wenn sie doch einer einsamen Seele begegnen, klingeln sie diese aus ihren geheimen Tätigkeiten, worauf diese aufschreckt und einen künftigen Raser erblickt. Eskortiert wurde dieses verwöhnte Mädchen von einem desillusionierten Homeofficeangestellten, der gerade in der Hölle seines Zuhauses verbrennt. Rausgejagt wurden die beiden von einer frustrierten Hausfrau, die die Einsamkeit den Tag hindurch vermisst und nun ihr fehlgeleitetes Leben verflucht. All dies geschieht nur, um Meisterdieben der hiesigen Blüten ihre eh schon mühselige Arbeit noch zu erschweren. Auch andere Einzelgänger stehen diesen systemrelevanten Arbeiten auf dem Weg dahin im Weg. Wo es in normaler Atmosphäre zu dieser Zeit erwartbarer gewesen wäre, solchen zu begegnen, tauchen sie plötzlich im Blickwinkel von gestressten Augen auf und verschlimmern ihren Zustand umso mehr. Auch manch ein Alter geht auf holprigen Beinen die Strassen entlang, die er aus Trotz nun doch mal anschauen möchte. Schon lange war dieser nicht mehr draussen, es wurde mit den Jahren immer anstrengender. Und seine letzten Tage lässt er sich sicher nicht von dieser neumodischen Grippe vermiesen. Soll sie doch kommen, er ist bereit. Und er hat es nicht anders verdient. Für ihn, und nur für ihn alleine verbarrikadiert sich das Volk, welches er schon damals mit Schande überdeckte und nie dankte es ihm einer der Nachkömmlinge. Jetzt haben sie sich endgültig ihren Computern hingegeben und kommen vielleicht nie wieder raus. Soll ihm recht sein, so können sie ihn wenigstens nicht anstecken. So dachte er, doch vielleicht ändern sie ihre Ausweichtaktik irgendwann und gehen in die Offensive. Gegen die, die sich wehren, sich zu schützen, obwohl es ja vor allem die sind, die die Betten für länger haltbares Leben blockieren, wenn der Grosse Husten beginnt. Und dieser wird dann gegen sie gerichtet, wenn sie sich hinauswagen und werden liegen gelassen, wo sie unter Qualen einschlafen werden. Ich gönne es ihnen von Herzen. Wo sind denn seine Geistesführer jetzt? Sie warten das Geschehen ab, beobachten die Stimmungen sehr genau und schlagen zu, sobald sie sich wieder sicher fühlen. Schliesslich kann es nicht sein, dass so was ihre Pläne durchkreuzt, nein, es könnte sogar eine Chance sein. Je gespaltener eine Gesellschaft ist, je bewegungsmüder die Klügeren, desto bessere Aussichten stehen diesem Jahr und all den Tausend noch kommenden bevor. So soll es geschehen und sollen sie gegenwärtig doch unterschätzt werden, auch das spielt ihnen entgegen. Weiter unten herrscht gerade ein angenehmes Chaos, um kurz durchzuatmen. Sie ahnen noch nicht, dass ein bisher unbekannter Anwärter auf den Posten in Anflug ist und gedenkt, die ersten Landebahnen einzunehmen. Auch dann noch unerkannt in der Kultur angesiedelt, einer eher beschränkten Kultur, werden um ihn und seine Weissen Ungetüme herum Gerüchte entstehen, die seine Schlagkraft langsam steigern. Vielleicht nutzt er diese nur für leichte Beben, die zwar nerven, aber vorbeigehen und vergessen werden. Aber es besteht keine endgültige Sicherheit, dass seine Schläge harmlos bleiben, da er schwer einzuschätzen ist. Mal redet er wie ein naiver Gutmensch, mal wie ein Wahnsinniger, dem die Machtgeilheit aus den Augen strahlt. Eine leistungsfähige Manie begleitet diesen Meister seiner Kunst, die durchaus imstande sein wird, Diskussionen auszulösen. Erste Zitate werden noch belächelt, als hetzerisch abgetan, weil sie künstlerisch überspitzt daherkommen, aber er meint alles ernst. Von der linksradikalen Systemkritik über die verschiedenen Ausprägungen seines Narzissmus bis zu seinen politischen Ambitionen. Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe und er mich nicht in die Arme von Satan fallen lässt. Hier sitz ich nun in meinem Loch in Quarantäne und male mir mögliche Lebenswege aus, die ich natürlich nicht ernsthaft gedenke, einzuschlagen. Nein, meine Lieben, die verschreckt aufhorchten, als sie dies lasen, ich bin in Wahrheit ein harmloses Lamm, das in seiner Kunst gerne als gefährlich wahrgenommen werden möchte. Es dient ihm, also mir, als Kompensation seines meines zurückhaltenden Daseins als einfacher Mensch, der sich doch nur nach dem Frieden und der Freiheit sehnt, die für alle von Geburt an gegeben sein sollten. Ein Mobbingopfer auf der Suche nach Anerkennung. Ein Aussenseiter, der gesehen werden will. Nur eine niedergeschlagene Seele, die sich rächen wird. 

RvH, 22.03.2020, 20:48, 0151