Die Kolonien des Virus Vol.6 über Zahlen


In dieser wirren Welt des Virus, die er sich einbildet, scheinen gewisse Zahlen eine hohe Relevanz zu besitzen. Alle Zellen reden ständig davon und messen alles an ihnen, sogar sich selbst. Und die Kolonien mitsamt ihren Organisationen können nur überleben, wenn ihre leitende Zahl nicht ins Minus gerät. Obwohl alles da ist für ein Weiterbestehen und die Zellen, die deren Arbeit verrichten, nirgends sonst eingespannt sind, steht dennoch plötzlich alles still, sobald die Zahl nicht mehr mitspielt. Sie wird heilig gesprochen und bestimmt darüber, was geschieht und was nicht. Und wenn sie nicht wächst, ist sie nicht zufrieden und löst gar ein Chaos aus, um ihre Macht zu demonstrieren. Zwar besteht ihr Körper kaum aus physischen Objekten, und doch unterwirft sie den kompletten Virus mit ihrer Logik der Gewinnmaximierung. Sie leitet mittlerweile nahezu alle ihre Geschicke über die virtuelle Welt, während ihr alle dabei zuschauen und an ihr teilhaben möchten. Doch sie lässt nicht jeden ran. Nur wer bereit ist, sich ihr komplett zu unterwerfen, wird reich beschenkt. Meist sind das diejenigen, die ihre Komplexität zu verwalten versuchen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät. Reale Ergebnisse gibt es nicht bei solchen Tätigkeiten, die eher auf wegnehmen als auf herstellen von Nährstoffen konzentriert sind. Und die, die das Überleben des Virus tatsächlich sicherstellen, kommen kaum etwas von der Zahl ab. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, doch es sollte bedacht werden, dass sie einer der Hauptgründe ist, weswegen der Virus das ist, was er ist. Kaum eine Zelle sieht noch die Realität dieser Kugel, auf der sie leben, sondern nur noch die Zahl. Sie überdeckt alles Potenzial und jede Möglichkeit eines friedlichen Bestehens. Auch die Zellen werden gezählt und ihr aktueller Bestand stetig angepasst im kollektiven Gedächtnis des Virus. Doch diese Zahl scheint bald zu hoch zu sein, wenn sie es nicht schon ist. Doch die Logik der Expansion ging schon längst auf das tägliche Dasein über, so dass selbst die Fortpflanzung keine Grenzen mehr kennt. Einst störte dies nicht weiter, da viele kleine Zellen schon früh starben und sich so der Bestand selbst reguliert hat. Mittlerweile hindern nicht einmal mehr die Kriege der Kolonien den Virus daran, immer grösser zu werden, trotz Millionen von Opfergaben. Daher scheint die Expansion neue Welten zu entdecken und Möglichkeiten, diese zu befallen. Erste Schritte werden bereits geplant, um diesen dunklen Raum weiter zu entdecken, stets mit der Denkweise der Zahl ausgestattet, die nie ein Ende findet. Mögliche Konsequenzen können nur herausgefunden werden, wenn neue Dimensionen erreicht werden. Dort draussen im Innern des Grossen Raumes warten seit Ewigkeiten dauernde Dynamiken auf den Virus und werden auf ihn reagieren, sobald er sich aus seiner Heimat der brennenden Kugel herauswagt. Diese Dynamiken erkennen schnell, ob es sich bei den betroffenen Zellen um Auswüchse einer Krankheit handelt oder ob es doch nur Bakterien sind, die der Raum gar gebrauchen kann. Genügend Abwehrmechanismen wurden installiert, die bei ersten Problemen auf die Jagt nach dem Ursprung geschickt werden, um den Virus auszulöschen. Doch es besteht noch Hoffnung, auch wenn immer weniger, dass der Virus doch noch umprogrammiert werden kann. Dazu muss die Zahl unbedingt überdacht werden. Sie stellt in ihrer Unendlichkeit ebenso viele Schwarze Löcher dar, die das gesamte Leben der Kugel aufsaugen wird und dies bereits tut. Und manche Zellen sehen genau, was passiert und wie dies noch verhindert werden könnte, um wieder Mensch zu werden. Jedoch werden Veränderungen meist befohlen, selten einfach gemacht und die Entscheidungsträger sind komplett eingenommen von der Zahl und ihren Gaben. Wenn man genug von ihr hat, kann man tun und lassen, was man will und würde sich in ihrer Logik gar zu Tode konsumieren, wenn betroffene Zellen nicht von ihren Schaltzentralen abgelenkt würden. Und dort wird entschieden, ob sie weiterhin mit ihrer Existenz unentbehrlich bleiben oder die Verantwortung doch noch auf alle aufteilen, was ihre Nutzlosigkeit in ihren Machtspielen offenbaren würde. Doch geleitet von der Zahl, sind sie zu solch Reflektionen nicht mehr fähig. Es geht immer nur noch mehr und noch weiter, um nach ihnen die Sintflut auf die Nachkömmlinge loszulassen. So viele mögliche Szenarien, die zum Ende führen, auf das der Raum diese vermeintliche Intelligenz auslöschen wird, um weiter bestehen zu können. Die Namen der Kolonien werden irrelevant, denn in Wahrheit sind es alle, die unwürdig sind, in unserer gemeinsamen Heimat zu leben. Geht sterben für die letzten Zellen mit Verstand, und ihr rettet damit die Welt, ihr Einzeller. 

RvH, 30.09.2019, 19:17, 0078