Runterfahren

 
Dies Gras macht mich paranoid. Welch eine Floskel, doch sie entspricht der Wahrheit. Aufgrund von sich häufenden Erbärmlichkeiten muss nun dieser ausgebrannte Körper auf das Minimum seiner Funktionen reduziert werden, damit ein nachhaltiger Neustart vollzogen werden kann. Dazu ist es unabdingbar, seinen neuronalen Verbindungen keine psychoaktiven Substanzen mehr zu verabreichen, da ansonsten das Suchtgedächtnis stimuliert würde, weswegen ein Rückfall unausweichlich wäre. Und dies wäre unerträglich in Anbetracht der bereits verlorenen Zeit auf zweierlei Ebenen. In meinem Kopf macht das alles Sinn, was kein gutes Zeichen sein kann. Eine wirre Gedankenführung bestätigt dies und rät mir, sorgsam mit den letzten 6 von Satans Zuckergetränken umzugehen. Nur eines pro Tag. Ein bewusster Konsum, der sich auf die Auswirkungen dieses Giftes fokussiert, soll unbedingt eingehalten werden. Damit schön am letzten Tage des letzten Frühlingsmonats das letzte Red Bull gesoffen wird, muss daher heute noch das erste der 6 geöffnet und runtergeschluckt werden. Es wäre das dritte heute. Nein, das vierte. Ein Grosses war dabei. Nein, doch das dritte. Gras. Dreckskraut. Wundersame Kopffickerei. So hole nun dies Softgetränk aus dem Kühlschrank und fahre dein Gehirn mit ein wenig Zucker und Koffein hoch, damit du dessen Wirkung live dokumentieren kannst wie ein aufrichtiger Gonzo. Nachdem du also noch schnell pissen warst, steht diese dreckige Aludose gleich neben dir und wartet nur darauf, geöffnet zu werden. Doch du zögerst diesen Moment noch ein wenig raus, weil du diesmal nicht scheitern darfst beim letzten Entzug diesen Jahres. Es wäre doch gelacht, wenn du bei den kürzlichen Entwicklungen in deinem Leben, die dir die besten Voraussetzungen schaffen, um anzugreifen, es nicht hinbekommst, die Scheisse jetzt wirklich durchzuziehen. Jedem unaushaltbaren Zustand, dem dich die Nüchternheit aussetzt, kannst du die Hoffnung auf eine baldige Flucht entgegensetzen, die dich mit aller Kraft ausstatten wird, die du benötigst, um auch die jetzigen Schikanen von niederem Abschaum zu überstehen. Nun belohne dich mit dem ersten Schluck. Und du nimmst wie selten den Geschmack voll und ganz wahr, der sich durch deine Zunge im ganzen Mund ausbreitet und auch schon längst vorbeigegangen ist. Die Gewohnheit fordert dich auf - nicht nur wegen nervigen Störgeräuschen von niederem Abschaum - den zweiten Schluck hinterherzuschicken, doch du wartest auch diesen noch eine Weile ab. Es könnte diesmal dennoch etwas schneller vonstattengehen, denn immerhin lässt sich die Wut nicht ewig in Bann halten, weswegen ihr ein kleiner Belohnungszückerchen ganz gut tun würde. Tu es! Oder warte halt ab, bis du kurz davor stehst zu schreien, doch du weisst, dass es dann zu spät ist. Du brauchst es jetzt! Und du liessest dich überzeugen, während du hastiger, als gewollt, den Saft hinunterschluckst, noch lange bevor du diesen Satz zu Ende geschrieben hast. Wäre ja auch ein Widerspruch in sich und man kann von dir in diesem Zustand nicht erwarten, nur ein klein wenig kreativer mit deiner aktuellen Lage des letzten Grasrausches für bestenfalls ebenfalls diesen Jahres umzugehen. Morgen wird es bestimmt auch noch nicht besser werden, denn dann kommt der Entzug erst, doch dann lernst du vielleicht diesen letzten Rettungsanker von einem Red fucking Bull zu schätzen, wie er dich in einem schrecklichen Moment schützt vor dem Wahnsinn, der sich in jeder Sekunde anbahnen könnte, wenn du nicht aufpasst. Scheisse. Nochmals schnell durchlesen, um in den Vibe für ein würdiges Ende eines missratenen Ungetüms zu kommen uuund schluck! Uuuund gleich nochmal! Denn es dauert ja nicht mehr lange, bis du dein schlechtes Gewissen ein bisschen beruhigt hast und du dich wieder irgendeiner Torheit hingeben kannst, die dir der Bildschirm danach präsentiert, wenn du auf Veröffentlichen gedrückt hast. Aber erst könntest du deinen treuen Lesern noch schnell berichten, wie das Ritual nach einer jeden Veröffentlichung abläuft. Dieses hat sich mit der rasanten Fortpflanzung unserer Weissen Ungetüme erst entwickelt. Anfangs genügte es, das Worddokument mit dem Namen zu beschriften, doch es wurde bald notwendig, sicherzustellen, dass sich diese nicht doppeln. Daher musste ein eigenes Dokument mit den Titeln in alphabetischer Reihenfolge her, weswegen das Ritual beinhaltet, den Namen gleich zweimal zu wiederholen. Dann überprüfe ich meist nochmals, ob sich in der öffentlichen Darstellung des eben Verfassten ein Fehler eingeschlichen hat, was es äusserst selten tut bis auf Schreibfehler, die allerdings für immer und ewig so gelassen werden. Eine korrigierte Fassung ist nur in den Büchern erhältlich. So fuck you, denn es ist jetzt langsam genug. Uuuuund schluck!
 
- RvH - 26.05.2021 - 20:45 - 0359 -