Um diesen beschissenen Kasten ranken sich so
viele Mythen in meinem Kopf, die ich niemals imstande wäre, adäquat an die Aussenwelt
heranzutragen. Immerhin war er es, der mich in der ersten Nacht im neuen Heim
darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Probleme nach dem Geschrei dieses bald
toten Hurensohnes erst beginnen werden. Pünktlich um 23:00 Uhr knallte es in
die Düsternis hinein und ich stellte fest, dass ich die gesamte Nacht hindurch
ein unnötig lautes Geräusch wahrnehmen werde - ganze 8 Stunden lang. Pünktlich
um 07:00 Uhr knallt es noch mal und leitet damit die Ruhephase des Tages ein. Erst
Monate später sollte sich herausstellen, dass zwar der Knall normal ist, der
ständig andauernde Lärm allerdings von einem Defekt herrührt. Dies fand ich
erst heraus, als die Kälte mich dazu zwang, die unnötig komplizierte Heizungskonstruktion
in Angriff zu nehmen, um mir nach ewigen hin und her einzugestehen, dass
fachmännische Hilfe benötigt wird, damit ich nicht erfriere. Es dauerte durch
Depression und Vorabklärungen noch gut eine Woche, bis ein Elektriker mein
zugemülltes Haus ertragen musste, um seiner Arbeit nachzugehen. Am nächsten
Morgen traute ich meiner Wahrnehmung kaum, die keine Alarmsignale wegen
mangelnder Wärme ausstiess, sondern fast schon zu warm hatte. Dennoch freute
ich mich nicht zu früh, weil ich mein zynisches Leben kenne, das mich fast
schon zu energisch dazu drängen wollte, den Morgenurin abzulassen. Ich blieb so
lange liegen, wie ich nur konnte, weil ich ein paar stressfreie Minuten geniessen
wollte, bevor ich mich in die nächste Kältewand begeben. Die kam dann auch schon
gleich bei der Treppe und wurde mit jedem Stockwerk schlimmer. Schreckliche
Tage folgten. Mittlerweile heizen die unteren Räume zwar genug für den Herbst,
während der oberste Raum - das Schlafzimmer - zu heiss wird. Und sie heizen nur
die Nacht hindurch, was ein morgendliches Durchlüften zu einer folgenreichen
Entscheidung mutieren lässt. Dies ist soweit der aktuelle Stand der Heizkörper,
die ihre letzte Wärme auch bei stetig zugeschlossenen Fenstern im Verlauf des Nachmittags
verlieren und mich in ein kaltes Bett steigen lassen, um in brütender Hitze
aufzuwachen. Beschissene Bedingungen für den Entzug, den ich heute abermals in
Angriff nahm. Immerhin wollen wir zufrieden mit dem Erfolg einer 4-wöchigen
Entzugsphase in den Suizid eintreten, bevor das dreissigste Lebensjahr beginnt.
Oder aber genau an diesem Tage. Denn ja, ich halte dieses ewige Abklatschspielchen
von Problemen nicht länger aus. 54 Weisse Ungetüme schenke ich der Nachwelt
noch, bevor ich mich voller Vorfreude auf Satan fallen lasse. Treue Leser
dieser Schande denken sich, diese Scheisse hat er doch schon mal durchgezogen.
Ein Monat - und diesmal zwei Monate - also vier Wochen - so tun, als würde er
sich mental auf seinen Suizid vorbereiten, um dann doch weiterzumachen, als würde
er damit keine Erwartungen brechen. Diesmal soll es nicht die 27 sein, sondern
die 30, weil dies die nächste saubere Zahl ist, um es in dessen Schein zu
beenden. Aber diesmal meine ich es ernst und durch die aufkommende Nüchternheit
kann ich auch von Tag zu Tag immer präziser beschreiben, was mich zu dieser Tat
bewegt. Nicht nur Hurensöhne Kontrolleure werden geschlachtet, sondern auch
jegliche Formen von Linken & Rechten, die radikale Mitte und alles andere
an Abschaum, an das ich in meinen letzten Tagen auf diesem verfluchten Planeten
erinnern werde. Der Sicherungskasten und sein Kurzschluss sind nur ein Symbol
für die Müdigkeit, die ich nicht nur durch den Entzug des Nazi-G-Drinks empfinde,
wenn ich auf meine Artgenossen herabblicke. So viele technische Errungenschaften
haben sie allein im Verlauf des letzten Jahrhunderts erreicht und in den
letzten beiden Jahrzehnten präzisiert, und doch hängt mir ein degenerierter,
vermeintlich energiesparender Heizkörper am Hals, der noch schlechter heizt als
ein Feuer in einer Höhle mitten in der Eiszeit. Vor 15 Jahren wurde ich
endgültig von ihr eingenommen. Nur die eingebildete Verantwortung für ein
Lebewesen hielt mich noch am Leben. Und der naive Traum einer lukrativen
Rapkarriere. Scheiss drauf. Wird eh nichts und ohne Geld halte ich selbst den kleinsten
Wahnsinn in meinem künstlerischen Ausdruck nicht aus. Leset die letzten zwei
Jahre und sehet, wie ich ohne Publikum erst die Bullen auf mich hetzte und mich
danach langsam, aber stetig aus der Wohnung schrie, woraufhin mich ein nicht
einmal so geiles, finanzielles Risiko in seine Arme schloss, um mich halbwegs
angenehm in mein Ende zu begleiten. Ende.
- RvH - 18.10.2021 - 19:20 - 0433 -