Skandalös! Menschentiere bestimmen über andere
Menschentiere, was bisweilen akzeptiert und kaum hinterfragt wird. Soweit mal zu
der grundsätzlichen Definition des Prinzip Macht, was über sie alle wacht und sich
insofern von gutgemeintem Einfluss mit entsprechend positiven Auswirkungen
unterscheidet. Bei der weiteren Auseinandersetzung dieses gesellschaftlichen
Phänomens sollte dringend bedacht werden, dass es sich zwar mit dem Begriff der
Macht zusammenfassen lässt, woraus sich aber nicht schliessen lässt, dass die
dahinterliegenden Dynamiken ebensoleicht zusammengefasst werden können. Das
Sozialleben des Menschentieres und die zahlreichen Einflüsse darauf spielen
sich auf unzähligen Ebenen ab und werden von noch zahlreicheren Subjekten
mitbeeinflusst. Auf der kleinsten und direktesten Ebene hat sogar jedes Menschentier
einen gewissen Handlungsspielraum, der sich zumindest durch die Wahlmöglichkeit
unterschiedlicher Optionen zeigt, die mit einer Weggabelung verglichen werden
kann. Hierbei können manche Pfade allerdings in ein noch unfreieres Leben
führen, in das man letztendlich aktiv oder passiv geworfen wird. Diese
Lebensrealität betrifft die sogenannte Masse, die den grössten Teil dieser
Spezies ausmacht. Trotz einer potenziell höheren Intelligenz, mit der ganz
andere Wege möglich wären, was sie letztendlich von den klassischen Tieren unterscheidet,
bietet sich diese Möglichkeit den wenigsten an. Zwar profitieren viele von den
Errungenschaften der Menschheitsgeschichte, aber nutzen diese nur, um zu funktionieren.
So bleibt einiges an vergeudeten Potenzial auf der Strecke, wodurch der Frust
mit der fortlaufenden Existenz eines jeden Einzelnen steigt und diese langsam
ausbrennen lässt. Es sei denn, dass Ventile auftauchen, durch die der gröbste
Druck abgelassen werden kann, was zwar nicht zwingend zu einer Heilung führt,
aber zumindest ein Vakuum in den geschundenen Seelen schafft, auf dem man aufbauen
kann - auch von aussen. Beliebte, meist über Generationen weitergetragene und
durch machtpolitische Einflussnahme bestärkte Ventile sind Feindbilder in der Form
von gesellschaftlichen Gruppen, deren Bedeutungen nie vollkommen verstanden
wurden. Ob es sich dabei nun um sogenannte Ausländer oder Andersfarbige handelt,
um geschlechtliche Unterschiede oder religiöser Wahn, der sich in unterschiedlichen
Formen zeigt, ist dabei erst einmal egal. Entscheidend ist, wie und wo man
zufälligerweise geboren wurde, um die eigenen Feinde - oder zumindest Fremde -
zu erkennen, die durch ihre Existenz die eigene Identifikation erst ermöglichen,
die für viele notwendig ist, um in der Komplexität und den Gefahren der Welt
nicht unterzugehen. Solche Unsicherheiten sind die Grundvoraussetzung, um über
Menschen bestimmen zu können. Wenn sie sich bedroht fühlen - und sei es auch
nur sehr vage einschätzbar - sind Lebewesen zu allerlei reaktionären Taten fähig.
Gerne folgen sie dem eindrücklichsten Ruf und werden die Hoffnungen nicht allzu
grob enttäuscht, kann daraus eine längerfristige, voneinander gegenseitig
abhängige Beziehung entstehen, die sich längst auf allen Ebenen ausgebreitet
und gesellschaftliche Strukturen durchtränkt hat. Tatsächlich sind sie in
erster Linie durch Macht und ihre jeweilige Aufteilung auf Staatsgebiete und
Unternehmen geprägt. Eine freiheitliche Übereinkunft über ihre Organisation und
Verteilung, die bei Bedarf angepasst werden kann, besteht nicht, sondern wird wie
bis anhin üblich vorausgesetzt und nur in gefühlten Notsituationen verändert. Die
Meisten konzentrieren sich auf einzelne Aspekte ihres Daseins, die, wenn sie nicht
allzu sehr eingeschränkt werden, genügen, um sich in der Illusion eines
glücklichen Lebens wiederzufinden. Alle Gedankengänge, die darüber hinausgehen,
werden nicht bedacht und - sobald sie sich aufdrängen - sogleich wieder weggeschoben.
Wenn das in Teilen nicht mehr möglich ist, muss eine einfache Lösung her, die
immer einen klaren Schuldigen kennt. Von oben betrachtet sieht man letztendlich
nur eine gescheiterte Spezies, die sich selbst abschlachtet und dabei
einbildet, all diese Kämpfe hätten irgendeine Bedeutung, die zu einem
angenehmeren Dasein führen. Dabei sind es gerade diese Kämpfe - ob physisch oder
psychologisch - die all das Angenehme und Schöne, das nur schon als Planet
einfach da ist, erst verunmöglichen, geniessen zu können. Auch wenn man das
begriffen hat, bleibt einem diese Erkenntnis auch nur als ein kleines
Trostpflaster, das die eigentliche Trauer über all das Chaos nicht überdecken
kann, übrig. Währenddessen kann man live dabei zusehen, wie die
Lebensgrundlagen immer weiter zerstört werden, so dass auch bei einem weitverbreiteten
Willen und Verständnis eines guten Lebens und allem, was dazu gehört, dieses schon
bald nicht mehr möglich ist. Und das alles nur wegen hochkomplexen Machtspielen
auf allen Ebenen, die nicht verhindert werden können. Oder vielleicht doch?
- RvH - 31.01.2021 - 00:14 - 0296 -