Erbarmungslose Erbärmlichkeit

 
Während nebenan in Abständen von mehreren Minuten Dinge herumgeschmissen werden, sitzt ein Meister auf einem provisorischen Nachtlager, das er in der Mitte seiner Gemächer eingerichtet hat. Dieses besteht in erster Linie aus einer Matratze, die den Grossteil des Zimmers einnimmt. Das dazugehörige Bettgerüst steht im Schlafzimmer. Für diese Notlösung wurde sich deswegen entschieden, um die angeschlagenen Nerven unseres Meisters zu schützen und langsam, aber sicher einen nachhaltigen Heilungsprozess voranzutreiben. Voraussichtlich im Sommer wird ihm ein neues Heim zur Verfügung gestellt, worum er sich in seinem Wahn allerdings nicht selbst kümmern konnte. Um diese Angelegenheiten kümmerte sich ein Mensch, in dem er einst heranwuchs und hinausschlüpfte wie aus einem Ei, wobei dies 9 Monate davor stattfand, was erst den eigentlichen Prozess provozierte. 29 Jahre später sitze ich nun hier - ein Meister auf Abwegen - und verfalle in alte Verhaltensmuster, die sich von der eigenen Persönlichkeit abstrahieren, damit man nicht im Elend der Depression ertrinkt. Manch ein knallendes Geräusch kommt auch von oben, wo der überdurchschnittlich lange anhaltende Schnee der letzten Tage allmählich hinunterplumpst in sein unausweichliches Schicksal der Zerschmelzung. Teilweise ist der Ursprung des Knalls - der sogenannte Urknall - nicht klar zuzuordnen, was den Wahnsinn in meinem Kopf nicht schmälert. Die Ungewissheit darüber gibt der gewachsenen Paranoia Futter, wo es doch mein Körper dringender benötigte. Dadurch ist der Energiehaushalt im Keller angelangt, wo er seit Jahren verweilt. Gelegentliche Energiebomben dagegen überfordern ihn, da er sie selten in eine sinnvolle Richtung lenken kann, weswegen sie entweder im Geschrei enden oder auf Kundschaften verloren gehen. Dort begegnete ich einst einer mystischen Gestalt, die genau wusste, worauf ich es abgesehen hatte. Vermutlich ahnte sie schon vor unserer Zusammenkunft, was für ein Wesen sich an den Blüten ihrer Gegend bedient wie ein Parasit. Für den Beweis ihrer These wie auch zur gezielten Lockung legte sie wohl Köder in den Blütenbehälter aus und ein Meister seiner Sucht sprang drauf an. Erst als die beiden aufeinandertrafen, ging mir - dem Über-Ich - ein Licht auf, wobei dies erst ganz schwach aufblitzte, da es zu viele Zufälle registrierte. In den nächsten Tagen bestätigte sich dieser Verdacht, da die Köder nicht mehr auftauchten. Die Perfidität, die daraus spricht, hielt uns bislang davon ab, der Fischerrute zu einem entspannten Plätzchen zu folgen, das alles Nötige zur Entspannung bereithält und sogar noch mehr, mit dem ich nicht nur Kundschaften, sondern gar ganze Wanderungen unternehmen könnte. Doch das Misstrauen weicht immer mehr dem Bedürfnis nach gnadenloser Eindeckung, um wieder andere Bedingungen im Kampf gegen den Suchtdruck zu haben. Ob ich dem schon gewachsen bin, kann ich nicht abschliessend einschätzen - ich muss es austesten. Tägliche Kundschaften fressen zu viel Zeit, die ich für meine Auferstehung benötige, während sie gleichzeitig den Tagesablauf grundlegend ficken. Wenn zur Not mit wenig Aufwand zur Medizin gegriffen werden kann, besteht zum einen natürlich die Gefahr, dies nahezu stündlich zu tun, doch zum anderen bietet sich die Chance, dies so oft wie möglich zu unterbinden, um es nicht mehr täglich zu tun. Ein Dilemma, dem schon bald nicht mehr ausgewichen werden kann, denn die Entscheidung wurde schon längst getroffen. Zumindest konnte ich die Pro & Kontras einem Weissen Ungetüm erzählen, dass in diesem Bilde die Position eines Psychologen einnimmt, der sich Dr. Thompson nennt. Natürlich ist bei solch einem Doktor, der dem Drogenwahn des Gonzos unterlag, nicht so recht zu trauen in seinen gut gemeinten, aber schlechten Ratschlägen, die er zu seinem Fachgebiet zu geben hat, aber immerhin. Wenn ich seine Absichten stets richtig einordne, kann ich halbwegs vorbereitet an den Gefahren entlangschwanken, ohne liegenzubleiben, wenn ich falle. Dies zumindest ist garantiert, doch mehr als eine Platzwunde muss dabei nicht entstehen. Als schliesslich unser Meister von seiner Therapiesitzung heimkehrt, benötigt er nur zwei Schritte, um sich auf seiner Matratze niederzulassen. Umringt von Schmutz und ein wenig Müll, der in längst vergangenen Tagen deutlich voluminöser und umfassender war, denkt er über die nächsten Schritte nach und schreibt sie - wie um sie für sich in Stein zu meisseln - in sein schändliches Tagebuch rein, das besser nie jemand lesen sollte, da es den Lesenden sogleich umschlingt und in seinen Wahnsinn hinunterzieht wie Ginny, um schliesslich entführt zu werden wie Jeanny. 
 
- RvH - 21.01.2021 - 01:38 - 0280 -