Standortbestimmung


Eigentlich wollte ich auf einer 81 Meter hohen Welle in den Frühling reiten, doch ich fiel bereits bei der 20 hinunter und schwimme nun zurück an das sichere und ruhige Ufer. 4 Meter liegen noch vor mir und habe dafür gerade mal 24 Stunden Zeit. Es sah schon schlimmer aus, wäre da nicht die Tatsache, dass ich bereits einen Monat schwimme, nur um die letzten 7 Meter hinter mich zu bringen. Danach ist erst einmal Pause angesagt und weitaus kleinere Wellen für das restliche Jahr. Immerhin gibt es noch anderes, in das meine Genialität abspritzen müsste, um sich vollumfänglich zu entfalten und sowieso war ich bereits auf einer 108 Meter hohen Welle unterwegs. Vielleicht noch etwas holprig und gegen Ende habe ich ein wenig geschummelt, aber egal. Interessanter wäre etwas anderes, etwas mit Inhalt und weniger Zahlen, etwas mitreissendes und alles in sich ertränkende, ein Ungetüm aus dem Ozean, was bisher unentdeckt blieb, ein Monster, das in mir innewohnt. Ein so tiefes Gewässer, an dessen Grund nur noch Dämonen Zuhause sind, von wo aus sie die Welt über ihnen steuern und mit in den Abgrund ziehen. Sie hinterlassen Spuren in der Form der 27 und am Rande der Hölle errichteten sie eine Steinmauer, hinter der sie sich eine kleine Sekte des Christentums herangezüchtet haben. Einfach nur so aus Spass. Auf der anderen Seite wartet ihr Erzfeind bereits auf den grossen Durchbruch unter der Mauer hindurch, um sich seine ersten Schäfchen zu schnappen und bei Bedarf zu schlachten. Die Hölle ist ihm schon lange viel zu eng, da ihm von Satan persönlich seine Bestimmung auferlegt wurde, die sich mit dem Wort Antichrist ganz gut zusammenfassen lässt. Aber hier wächst auch dieses teuflische Kraut aus dem Boden, an verschiedensten Orten entstehen die prächtigsten Blüten, ohne dass er sie bis zur Ernte jemals angerührt hätte. Täglich schickt ihn seine Sucht auf Kundschaften und er darf erst zurückkehren, wenn er genug hat, um mindestens zweimal durchzuziehen. Gerne mehr, auch wenn das unerträglich ermüdend ist. Nicht weit entfernt, schaut sich ein überirdisches Wesen dieses erbärmliche Leben an und fragt sich, wann es denn endlich mit seiner Show beginnen wird. Es sieht immer mal wieder, wie von der Kälte aufgerissene Hände zweierlei Techniken anwenden, um geschriebene Kunst zu erschaffen, aber so richtig was mitbekommen hat es noch nichts. Manchmal hört es dessen leise Stimme vor sich hin nuscheln wie zeitgenössische Sprechgesangsartisten, doch noch nicht einmal mit denen kann es mithalten. Dies Leben verweilt seit Jahren am selben Punkt in seinem Leben und dreht sich dabei um sich selbst wie der Monolog seines Spiegelbildes. Selbst der Versuch, sich darin in unterschiedliche Erzählperspektiven aufzuspalten, scheitert an der Monotonie seines Ebenbildes. Wiederhole, wiederhole, was ich bereits vor Monaten wiederholte, dessen ursprüngliche Spielerei schon vor Jahren niedergeschrieben wurde und dies wenigstens ohne Sicherungskopie im Internet. Daher kehre ich nun zurück zu mir selbst und gebe mir öffentlich meine Hausaufgaben für den nächsten Monat auf. Und schon bald wird es wieder März im Dorf, wo auch schon die Deadline für meine zahlreichen Vorhaben auf mich wartet. Wenn ich mich so umschaue, sehe ich, treue Leser ahnen es schon, einen immer grösser werdenden Haufen an Müll, der mich in den nächsten Jahren unter sich begraben würde, wenn es so weiter geht. Also wird dies die erste Aufgabe sein, die ein guter Antichrist zu erledigen hat. Auf einem freien Feld lässt sich ein Wahn besser ausleben, da dann weniger lebensgefährlicher Schrott auf dem Boden herumliegt. So ein Tod wäre selbst mir peinlich. Und mir ist wirklich nicht mehr viel peinlich, was nicht unbedingt ein gutes Zeichen ist. Die Zeichen der Bakterien wiederum sind schon viel zu lange zu sehen, in der Dusche, dem Scheissräumchen und der Küche. Also wird dies die zweite Aufgabe sein, die ein böser Messias zu erledigen hat. Eine saubere Wohnung lässt dessen Gemüt erhellen, auf dass all die kreative Energie von den Flächen reflektiert wird, um diesem trostlosen Ort etwas Leben zu schenken. So müsste es mir nicht peinlich sein, sollte ich mir mal Nahrung bestellen. Selbst in diesen beiden Aufgaben stecken so viele unterschiedliche Arbeitsschritte, um den kommenden Monat durchzurennen und doch folgt nun die Dritte. Diese ist mir die unliebste von allen, da sie keinen positiven Effekt haben wird, wenn sie erfüllt wurde, denn dann geht die Arbeit erst richtig los, so zeitraubend und erbärmlich, wie mein aktueller Lebensstil gar nie sein könnte. Diese letzte Aufgabe beinhaltet die Suche nach einer Arbeitsstelle, die kaum auf jemanden wie mich wartet und kaum wurde sie draussen gesehen, verschwindet sie auch schon wieder. Doch das schlimmste an dieser ganzen Sache ist die Schreibarbeit, die mich fühlen lässt wie eine Marionette des Popbusiness. Nur leider kann ich mir keine Ghostwriter leisten, weswegen ich diese Scheisse alleine schreiben muss und die inhaltlichen Grenzen sind noch enger gesteckt. Immerhin fallen Wiederholungen weniger bis gar nicht auf, sofern ich diese auf verschiedene Bewerbungen streue und wenn das Ziel erst erreicht ist, ist erst einmal Schluss damit. Aber auch mit der freien Zeit und dem Ausschlafen. Diese Aussichten deprimieren mich so sehr, dass, wer hätte es geahnt, auch mit diesem meinem Monologe wie auch mit diesem Satze schon sehr bald, sofern mir nicht noch allzu viel Füllmaterial, das dem Zwecke dient, sich möglichst weit auszubreiten und in sich zu verlieren, einfällt, auf dass nicht nur, aber eigentlich schon, mit diesem Schwachsinn endlich Schluss ist. 

RvH, 31.01.2020, 01:31, 0132